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Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz: Ein Thema, das jeden betrifft

Engagieren Sie sich als Betriebsrat!

Die psychische Gesundheit von Beschäftigten gewinnt mehr und mehr an Aufmerksamkeit. Denn immer mehr Fehltage haben ihre Ursache in psychischen Erkrankungen – von Burn-out bis zur Depression. Das Gute: Die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz kann aktiv gefördert werden – und das lohnt sich! Denn von einer gesundheitsfördernden Arbeitsgestaltung und Prävention profitieren nicht nur die Kollegen, sondern auch das Unternehmen. Welche Belastungen am Arbeitsplatz können zu Problemen führen? Und was hat es mit der Psychischen Gefährdungsbeurteilung auf sich? Wo Sie als Betriebsrat hinschauen und mitwirken können, lesen Sie hier.

Kathrin Wiemann | ifb

Stand:  15.2.2024
Lesezeit:  04:00 min

Diagnose: Psychisch krank 

In Deutschland sind jedes Jahr etwa 27,8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen. Das entspricht rund 17,8 Millionen Menschen! Aber was bedeutet eigentlich psychisch erkrankt? Eine psychische Erkrankung zeigt sich durch Abweichungen der Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens und des Selbstbildes zum gesunden Zustand. Oftmals liegt der Ursprung in der familiären Disposition, in Erfahrungen und in Erlebtem. Sie können aber auch durch die Belastung und Stimmungen am Arbeitsplatz entstehen. Bestimmt kennen Sie als Betriebsrat oder Interessenvertreter den ein oder anderen Kollegen, der erkrankt ist. Vielleicht haben Sie ihn in der Beratung begleitet oder ggfs. in einem Gespräch oder BEM-Verfahren unterstützt.

Auslöser für psychische Probleme | © ifb GmbH & Co.KG

Auch wenn psychische Erkrankungen nicht zwingend im Arbeitsverhältnis die (alleinige) Ursache haben müssen, spielen sie in der Arbeitswelt eine immer größere Rolle. Denn Leistungsdruck, Omnipräsenz und Doppelbelastung haben in den letzten Jahren zugenommen. 

Von einer diagnostizierten psychischen Erkrankung müssen wir die psychische Belastung unterscheiden. Psychische Belastungen bei der Arbeit sind Risikofaktoren, die eine psychische Erkrankung (mit)verantworten können. Hier kommt dem Arbeitsplatz eine wichtige Verantwortung und Rolle zu. 

Die größten Trigger für psychische Probleme | © ifb GmbH & Co.KG

Anstieg der Fehlzeiten 

Die Zunahme der Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen ist seit Jahren sehr auffällig. So nahm im Zeitraum von 2010 bis 2020  die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen um 56 Prozent zu. Auffällig ist auch, dass im Jahr 2020 die kurzen Krankschreibungen bis zu einer Woche zurückgingen, wohingegen eine deutliche Zunahme der Fallzahlen bei den länger dauernden Krankschreibungen zu verzeichnen war. 

Lange Ausfallzeiten 

Psychische Erkrankungen bringen häufig lange Ausfallzeiten mit sich. Im Schnitt dauerten sie 30,3 Tage – das ist mehr als doppelt so lang wie die durchschnittliche Zahl der Krankheitstage bei anderen Erkrankungen (13,8 Tage). Für Sie als Betriebsrat ist es wichtig, die innerbetrieblichen Zahlen zu kennen, z. B., indem Sie sich diese von der Geschäftsleitung im ASA (Arbeitssicherheitsausschuss) vorstellen lassen. Hier sind Sie als Betriebsratsmitglied ja vertreten. Krankenkassen, bei denen Ihr Betrieb mehr als 100 Mitarbeiter versichert hat, stellen diese Daten im sogenannten Gesundheitsbericht vor.

Tipp! 

Je mehr Mitarbeiter bei der gleichen Krankenkasse versichert sind, desto repräsentativer wird die anonyme Datenschau. 

Psychische Erkrankungen Fehltage | © ifb GmbH & Co.KG

Die beiden häufigsten Diagnosegruppen 

Depressionen verursachen mit rund 106 Fehltagen je 100 Versicherte weiterhin mit Abstand die meisten Fehltage, lagen 2020 jedoch auf Vorjahresniveau. Anpassungsstörungen haben hingegen an Bedeutung gewonnen. Eine Anpassungsstörung ist eine Reaktion auf verschiedenste Belastungen (z. B. Scheidung, Mobbing, Arbeitsplatzverlust, Tod, Krankheit). Im vergangenen Jahr entfielen 64 Tage je 100 Versicherte auf diese zweitwichtigste Diagnose, 8 Prozent mehr als im Vorjahr.

Was sind psychische Belastungen in der Arbeitswelt? 

Psychische Belastungsfaktoren sind definiert als „die Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ (DIN EN ISO 10075). Sie werden als neutral verstanden, da sie sowohl negativ als auch positiv auf den Menschen einwirken können. Beispielsweise wird ein großer Handlungsspielraum von dem einen Beschäftigten als angenehm, von dem anderen als überfordernd empfunden. 

Dabei reagieren Menschen auf die meisten Gefährdungsfaktoren psychisch und zugleich physisch. Ein Beispiel: Hoher Lärm kann zu einem Hörschaden führen (= physische Reaktion) und zugleich die Konzentration beeinträchtigen (= psychische Reaktion). 

Welche Belastungsfaktoren gibt es? 

Es gibt fünf typische Belastungsfaktoren, die sich negativ auf die psychische Gesundheit von Beschäftigten auswirken können:  

  1. Arbeitsinhalt und -aufgabe 
  2. Arbeitsablauf und -organisation 
  3. Soziale Beziehungen 
  4. Arbeitsumgebung und -mittel 
  5. Neue Arbeitsformen

Psychische Beanspruchung 

Jeder Mensch hat unterschiedliche psychische, körperliche, genetische und soziale Voraussetzungen. Ob eine Belastung zu einer Beanspruchung führt, hängt von diesen individuellen Voraussetzungen ab. Hierzu gehören die eigenen Fähigkeiten, Erfahrungen, das Vertrauen in die eigene Person, die Motivation, Einstellung, Bewältigungsstrategien, der Gesundheitszustand, das Alter und Geschlecht und vieles mehr. 

Die Belastungsfaktoren können zu kurz- oder langfristigen Beanspruchungsfolgen beim Menschen führen. Unter Beanspruchung versteht man in diesem Zusammenhang die individuelle Reaktion der Beschäftigten auf die Belastungsfaktoren. Typische Reaktionen sind z. B. Muskel-Skelett-Beschwerden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Stressreaktionen und Depressionen. 

Hierzu ein Beispiel: Erteilt die Führungskraft einen Zusatzauftrag, können die Reaktionen der Mitarbeiter ganz unterschiedlich sein. Während sich eine Kollegin über die Abwechslung freut und sofort mit der Bearbeitung beginnt, schimpft ihr Kollege zunächst und ärgert sich noch weitere Tage über die Mehrarbeit. Ein dritter Kollege steht unter derartigem Termindruck, dass er unter extreme Anspannung und Stress gerät und der Arbeit fernbleibt. Hier wird deutlich, dass der gleiche Auftrag, die gleiche Belastung, je nach individuellen Voraussetzungen zu unterschiedlichen Beanspruchungen führt.

Arbeitsbedingte Kosten psychischer Störungen 

Die Folgekosten arbeitsbedingter psychischer Fehlbelastungen werden in Deutschland auf ca. 10 Milliarden Euro geschätzt. Neben den direkten Behandlungskosten beinhaltet die Zahl Kosten des Arbeitsausfalls, Krankengeldzahlungen der Krankenkassen, Kosten krankheitsbedingter Frühverrentungen und Einnahmeverluste sowie Zusatzausgaben der Rentenversicherung. 

Am schmerzhaftesten für das Unternehmen sind die Fehlzeiten, denn diese bedeuten u. a. 

  • eine Mehrbelastung der anwesenden Mitarbeiter, wodurch sich wiederum deren Erkrankungsrisiko erhöht 
  • erschwerte Planung 
  • Produktionsausfall 
  • Lieferschwierigkeiten und damit Unzufriedenheit der Kunden 
  • Gehaltsfortzahlung 
  • sinkende Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens 
  • Verlust von teuer ausgebildetem Fachpersonal durch Fluktuation oder Frühverrentung. 

Jährlich werden Unsummen von Euros verschwendet – verursacht durch psychische Fehlbelastungen.

Wichtig! 

Die Vermeidung von psychischen Fehlbelastungen leistet einen wichtigen Beitrag, die Kosten zu senken und so den Standort sowie die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Deshalb muss es das Ziel aller Beteiligten sein, Arbeitsbedingungen gesund zu gestalten. 

Der Arbeitsgeber in der Pflicht: Die Gefährdungsbeurteilung 

Der Gesetzgeber hat sich in den letzten Jahren verstärkt dem Thema psychische Belastungen und Erkrankungen angenommen. Unternehmen sind verpflichtet, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung der psychischen Gesundheit möglichst vermieden bzw. geringgehalten wird. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers folgt aus der allgemeinen, in den §§ 241 Abs.1, 618 BGB normierten Fürsorgepflicht. Wichtiger aber noch: § 5 ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber, eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, d. h. Gefahrenquellen zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. 

Die Gefährdungsbeurteilung ist Grundlage für die Prävention von Unfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie der menschengerechten Gestaltung von Arbeit. Seit Ende 2013 fordert das Arbeitsschutzgesetz explizit auch die Berücksichtigung der psychischen Belastungen bei der Beurteilung von Arbeitsbedingungen (§ 5 ArbSchG). 

Bei der Gefährdungsbeurteilung geht es nicht darum, die psychische Situation des einzelnen Beschäftigten zu analysieren, sondern die gefährdenden Faktoren der Arbeit/Umwelt festzustellen und zu beurteilen. Hierfür bieten sich Mitarbeiterbefragungen, Interviews oder Workshops an. Bei den Befragungen können Sie sich als Betriebsrat wunderbar einbringen und dabei mitwirken, Bedenken der Mitarbeiter zu entkräftigen oder das Verfahren zu erläutern. Die Methode wird je nach Betrieb gewählt. 

Sobald die Gefährdungen ermittelt und beurteilt wurden, z. B. in Schwere und Ausmaß, geht es darum, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Maßnahmen können beispielsweise die Reduktion von Unterbrechungen oder die Zuweisung abwechslungsreicher, weniger monotoner Aufgaben sein.

Wichtig! 

Sowohl bei der Auswahl der Methode (auch wegen dem Thema Datenschutz), als auch wenn es um die beteiligten Dritten und nachgelagerte Maßnahmen geht, sind Sie als Betriebsrat zu beteiligen! 

Die Überlastungsanzeige: Richtig handeln zum richtigen Zeitpunkt 

Aber auch Beschäftigte selbst sind aufgerufen, ihre Überlastung zu melden: Sie sollten Gefährdungen ihrer psychischen Gesundheit mit der sogenannten Überlastungsanzeige anzeigen. Diese bietet die Möglichkeit, auf die Situation aufmerksam zu machen und entlastet die Mitarbeiter bei möglichen Haftungsansprüchen – wenn zum Beispiel aufgrund der Überlastung schwerwiegende Fehler passieren. 

Die Überlastungsanzeige ist also der schriftliche Hinweis an den Arbeitgeber oder unmittelbaren Vorgesetzten, dass eine potenzielle Schädigung und Gefährdungen der Kunden, des Unternehmens oder der Beschäftigten selber durch eine vorliegende Überlastung droht. 

Die Anzeige sollte dem direkten Vorgesetzten, dem Betriebsrat, dem Arbeitgeber und ggf. weiteren Personen schriftlich übermittelt werden. In ihr beschreibt der Arbeitnehmer die konkrete Belastungssituation, z. B., dass er nicht fristgerecht bzw. in hinreichender Qualität seine Aufgaben bearbeiten kann.   

Lange Fehlzeiten aufgrund psychischer Belastungen? Folge: BEM 

Wenn ein Kollege aufgrund seiner psychischen Erkrankung länger als sechs Wochen innerhalb eines Kalenderjahres arbeitsunfähig erkrankt ist, muss der Arbeitgeber ihm ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Wie Sie als Betriebsrat hier mitwirken können, lesen Sie unter der Rubrik BEM.

Ihre Mitbestimmung als Betriebsrat beim betrieblichen Gesundheitsschutz 

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bestimmen Sie als Betriebsrat in Angelegenheiten des betrieblichen Gesundheitsschutzes mit, solange der Arbeitgeber über Handlungsspielräume verfügt; so z. B. auch bei der Gefährdungsbeurteilung im Fall von psychischen Belastungen. Hier kann der Betriebsrat auch sein Initiativrecht nutzen und Maßnahmen vorschlagen. 

Wird die Gefährdungsbeurteilung an Dritte delegiert, können Sie mitbestimmen, welche Qualifikationen diese Personen nachweisen müssen. Im Rahmen des § 80 Abs 1 Nr. 1 BetrVG überwachen Sie als Betriebsrat außerdem die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften. 

Auf geht’s: Maßnahmenplan 

Nach der Auswertung der psychischen Gefährdungsbeurteilung geht es um die Umsetzung. Welche Maßnahmen können Abhilfe schaffen? Beteiligen Sie die betroffenen Arbeitnehmer an der Frage, was sich ändern sollte. 

Gleichwohl müssen die Beschäftigten erfahren, wie sie ihrer Pflicht nachkommen, Fähigkeiten auszuweiten und dazuzulernen, ohne sich zu überfordern. Hier bieten sich Workshops und Weiterbildungen an. Ziel ist es auch, die betrieblichen Akteure (darunter Unternehmer, Führungskräfte, Verantwortliche für den Arbeits- und Gesundheitsschutz und Sie als Interessenvertreter) umfassend zum Thema zu informieren und zu qualifizieren. 

Eine Sensibilisierung für ein gesundes Betriebsklima und ein wertschätzender, fördernder aber nicht überfordernder Führungsstil sind die Eckpfeiler für psychische Gesundheit. Dieser Balanceakt ist eine Herausforderung, die Sie als Betriebsrat mitgestalten können!

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