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Verschlechterung der Arbeitsbedingungen

Eine ordentliche Änderungskündigung, die auf eine vor Ablauf der Kündigungsfrist des betreffenden Arbeitnehmers wirksam werdende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zielt, ist nach § 1 Abs. 2, § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt.

BAG, Urteil vom 29.03.2007, 2 AZR 120/06

Stand:  29.3.2007
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Fall:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.

Der 1970 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1995 beschäftigt. Die Anwendung des Bundes-Angestelltenvertrages (BAT) auf das Arbeitsverhältnis ist einzelvertraglich vereinbart. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig etwa 13.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie betrieb u.a. die Abfertigung von Luftfracht am Flughafen Frankfurt/Main in der Abteilung Bodenverkehrsdienste-Fracht (BVD-F). Dort waren ca. 600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - darunter der Kläger - beschäftigt.

Am 14.04.2003 beschloss die Beklagte zur Vermeidung sich erhöhender Verluste, den Bereich BVD-F in die hundertprozentige Tochter der Beklagten Tradeport Frankfurt GmbH zu verlagern. Während die Beklagte durch Verbandsmitgliedschaft an den BAT und den BMT-G II gebunden war und mit allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Arbeitsverträgen die Geltung dieser Tarifwerke zwecks Gleichstellung vereinbart hat, unterliegt die Tochtergesellschaft nicht diesen Bindungen und kann daher auf dem Markt kostengünstiger auftreten. Die Beklagte richtete in dem Bereich Bodenverkehrsdienste die neue Abteilung Frachtservice ein (BVD-FS). In dieser Abteilung sollten die Beschäftigten aus der Abteilung BVD-F aufgefangen werden, die einem Betriebsübergang widersprechen würden. Die in der neuen Abteilung BVD-FS beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten dann im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der Tradeport Frankfurt GmbH eingesetzt werden. Mit Schreiben vom 27.10.2003 unterrichtete die Beklagte den Kläger über den bevorstehenden Betriebsübergang. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die Tochtergesellschaft.

Am 19.12.2003 schlossen der Arbeitgeberverband, dessen Mitglied die Beklagte ist, und ver.di, die Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 741 ab. Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Tochtergesellschaft widersprochen haben. Er sieht u.a. vor, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne der Beschäftigungssicherung verpflichtet sind, einen ggf. auch im Wege der Änderungskündigung angebotenen Arbeitsplatz in der Abteilung Frachtservice anzunehmen. Dort sind sie verpflichtet, Aufgaben bei einem Entleiherbetrieb, insbesondere bei der Tradeport GmbH wahrzunehmen. Die Vergütung ist bei einer Beschäftigung in der Abteilung Frachtservice (BVD-FS) nach dem Tarifvertrag geringer als bisher.

Nach Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2004. Gleichzeitig bot sie dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der Abteilung Frachtservice zu den entsprechend der Tarifvertraglichen Vereinbarung Nr. 741 geänderten Bedingungen ab dem 01.07.2004 an. Der Kläger nahm das Angebot rechtzeitig unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist.

Entscheidungsgründe:

Die Richter des BAG urteilten zugunsten des Arbeitnehmers.

1. Die durch die Beklagte ausgesprochene ordentliche Änderungskündigung mit dem Angebot, die Arbeitsbedingungen bereits erhebliche Zeit vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu ändern, ist nach § 1 Abs. 2, § 2 KSchG unwirksam. Das Angebot der Beklagten, der Kläger solle schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zu erheblich schlechteren Arbeitsbedingungen weiter arbeiten, ist sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG).

a. Eine ordentliche Kündigung wirkt erst zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Daran hat sich auch das Änderungsangebot des Arbeitgebers bei einer ordentlichen Änderungskündigung zu orientieren. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, auf einen Teil der ihm zustehenden Kündigungsfrist zu verzichten und vorzeitig in eine Vertragsänderung mit schlechteren Arbeitsbedingungen (insbesondere eine Lohnminderung) einzuwilligen. Eine solche vorzeitige Änderung der Arbeitsbedingungen hat der Arbeitnehmer auch dann nicht hinzunehmen, wenn das Änderungsangebot im Rahmen einer ordentlichen Änderungskündigung erfolgt. Die Beklagte vermengt hier in unzulässiger Weise Elemente von ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Schon dies führt zur Sozialwidrigkeit des Änderungsangebots der Beklagten.

b. Das Änderungsangebot der Beklagten ist sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte auch den Lohn des Klägers vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ändern und damit erheblich in das Vertragsgefüge eingreifen wollte.

Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, d.h.: Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich ist.

Eine Änderung der Vergütungsvereinbarung schon vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hätten die Arbeitnehmer auf keinen Fall billigerweise hinnehmen müssen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hätte hier jedenfalls eine unveränderte Weiterzahlung der bisherigen Vergütung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist erfordert. Der von der Beklagten geltend gemachte Kündigungsgrund - Erforderlichkeit der nahtlosen Weiterbeschäftigung der betreffenden Arbeitnehmer - ließ sich genauso gut verwirklichen, wenn die Vergütung der Arbeitnehmer mit längeren Kündigungsfristen für die Dauer dieser Kündigungsfristen unangetastet blieb. Auf eine tarifliche Vergütung kann sich die Beklagte hier nicht im Sinne einer Tarifautomatik berufen, denn - wie bereits dargelegt - sollte die abgesenkte tarifliche Vergütung nach der Tarifvertraglichen Vereinbarung Nr. 741 nur auf Grund einer Änderungskündigung - hier also nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist - gelten.

c. Die Sozialwidrigkeit des Angebots, die Arbeitsbedingungen schon vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu ändern, führt zur Sozialwidrigkeit und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung insgesamt (§ 1 Abs. 2, § 2 KSchG). Bei einer Änderungskündigung sind alle vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Vertragsänderungen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Enthält das Angebot des Arbeitgebers eine Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen in mehreren Punkten, muss die soziale Rechtfertigung für jeden einzelnen Punkt geprüft werden. Genügt auch nur eine der beabsichtigten Änderungen den Anforderungen nicht, so hat dies die Unwirksamkeit der gesamten Änderungskündigung zur Folge. Das Gericht kann nicht etwa die Änderungskündigung teilweise für wirksam erklären.

Eine Lohnminderung während des Laufs der Kündigungsfrist stellt keine unwesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen dar.

2. Die Änderungskündigung enthält auch nicht gleichzeitig das Angebot, die Arbeitsbedingungen für den Fall der Unzulässigkeit der Änderung vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist jedenfalls zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu ändern. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens in diesem Sinne nicht möglich ist.

Das Angebot des Arbeitgebers bei einer ordentlichen Änderungskündigung, die Arbeitsbedingungen schon vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu ändern, kann nicht allgemein als Angebot ausgelegt werden, die neuen Arbeitsbedingungen bei Unzulässigkeit der vorfristigen Änderung erst mit dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist eintreten zu lassen.

Das Änderungsangebot zielte eindeutig auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen bereits zu dem Termin, zu dem die Tätigkeiten auf das Tochterunternehmen übergehen sollten. Vom Empfängerhorizont der betroffenen Arbeitnehmer her konnte keinesfalls klar sein, ob die Beklagte das Änderungsangebot hilfsweise auch in der Weise aussprechen wollte, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen erst zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist eintreten sollte. Da das Tochterunternehmen seine Tätigkeit bereits zum 1. Juli 2004 aufnehmen wollte, war aus Sicht der betroffenen Arbeitnehmer zumindest unklar, wie die Beklagte und das Tochterunternehmen sich in dem Fall verhalten wollten, dass die Arbeitnehmer mit längerer Kündigungsfrist auf der Einhaltung ihrer Kündigungsfrist bestanden. Es war durchaus denkbar, dass die Beklagte und die Tochtergesellschaft planten, die entsprechenden Arbeitsplätze bei fehlender Annahme des Änderungsangebots durch die Arbeitnehmer mit längerer Kündigungsfrist anderweitig zu besetzen.

3. Auch die Umdeutung in eine Änderungskündigung mit einem Änderungsangebot zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist kommt nicht in Betracht.

Da der Arbeitnehmer auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden muss, ob er die geänderten Arbeitsbedingungen ablehnt oder mit bzw. ohne Vorbehalt annimmt, erfordert schon die Rechtssicherheit, dass zweifelsfrei klargestellt ist, zu welchen neuen Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitgebers fortbestehen soll. Die weitgehende Anerkennung von Umdeutungsmöglichkeiten hinsichtlich des Änderungsangebots des Arbeitgebers würde den Arbeitnehmer entgegen dem Schutzzweck des § 2 KSchG bei der Änderung von mehreren Arbeitsbedingungen möglicherweise verpflichten, alternativ zu den verschiedensten künftigen Arbeitsvertragsgestaltungen Stellung zu nehmen, die in der Änderungskündigung ausdrücklich so nicht enthalten sind. Dem Arbeitnehmer, der das konkrete Änderungsangebot vorbehaltlos abgelehnt hat, weil ihm eine bestimmte Änderung (etwa eine vorgeschlagene Lohnreduzierung) unzumutbar scheint, würde bei einer solchen Umdeutungsmöglichkeit nachträglich der Schutz des § 2 KSchG entzogen, denn die Vertragsänderung ohne Lohnminderung, die sich gegebenenfalls nach langer Prozessdauer als sozial gerechtfertigt herausstellt, kann er nachträglich nicht mehr unter Vorbehalt annehmen. Jedenfalls fehlt es hier konkret an den Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 140 BGB. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Beklagte bei Kenntnis der Unwirksamkeit der vorzeitigen Änderung der Arbeitsbedingungen eine Änderung zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der Arbeitnehmer mit längerer Kündigungsfrist gewollt hätte.

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