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Betriebsvereinbarung zum Thema digitaler Stress

Was kann und muss der Betriebsrat regeln?

Die Digitalisierung bringt Bewegung in die Betriebsratsarbeit. Für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen ist Weitblick gefragt, damit digitaler Stress und psychische Belastungen frühzeitig abgefedert werden. Wie ist der Betriebsrat zu beteiligen und worauf sollte er achten? Stefan Hamberger gibt Tipps aus seiner Beratungspraxis.

ifb-Referent Stefan Hamberger

Stefan Hamberger

Stand:  19.4.2021
Lesezeit:  03:45 min
© AdobeStock_BullRun

Die Digitalisierung wirft für die Betriebsratsarbeit völlig neue Themengebiete auf. Wie ist der Betriebsrat zu beteiligen? Und wie ist ein bestmöglicher Schutz(-mechanismus) für die Arbeitnehmer möglich? Hier geht es insbesondere um die Leistungs- und Verhaltensüberwachung. Denn der damit verbundene „digitale Stress“ führt zu psychischen Belastungen – und die sprichwörtliche Spirale dreht sich mit dem Zeitalter der fortschreitenden und zunehmenden Digitalisierung immer schneller.

Das Zusammenführen von Expertenwissen ist wichtig.

Zusammenführen von Expertenwissen

Natürlich ist es Aufgabe des Arbeitgebers, psychische Belastungen durch digitales Arbeiten bei den Arbeitnehmern zu verhindern – also erst gar nicht entstehen zu lassen. Mit dieser Aufgabe ist der Arbeitgeber aber nicht allein. Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte sind bei der Digitalisierung der Arbeit zu beteiligen. Zusätzlich kann die Expertise der IT-Abteilung, der IT-Security, der Compliance-Abteilung, der Personalabteilung und von (externen) Sachverständigen sowie von Rechtsberatern eingeholt werden.

Das Zusammenführen von Expertenwissen ist wichtig, um bei der hohen Geschwindigkeit der Umsetzung der Digitalisierung eine Ausgewogenheit zu gewährleisten, die eben auch psychische Belastungen verhindert.

Mitbestimmung bei IT-Lösungen

Die Digitalisierung erfolgt regelmäßig durch die Einführung von IT-Lösungen im Betrieb, z.B. durch die Anschaffung neuer Software und/oder die Erweiterung vorhandener Strukturen.

Bei solchen IT-Lösungen handelt es sich in der Regel um technische Einrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG. Der Betriebsrat kann im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung agieren und auf den Abschluss einer Betriebsvereinbarung hinwirken. Wichtig: Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat bereits vor der Einführung von IT-Lösungen und ihrer Nutzung durch die Arbeitnehmer zu beteiligen, damit diese mittels einer Betriebsvereinbarung interessengerecht erfolgen kann. Im Rahmen einer solchen Betriebsvereinbarung kann und muss insbesondere das Thema der Leistungs- und Verhaltensüberwachung reglementiert werden.

„Schnittmengenthema“ Datenschutz

Neben den technischen Einrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG spielt bei der Digitalisierung das Thema Datenschutz eine wichtige Rolle. Das „Schnittmengenthema“ Datenschutz unterfällt nach einhelliger Meinung allerdings nicht dem § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sieht in Art. 35 das Institut der Datenschutz-Folgenabschätzung vor, das bei der Implementierung von IT-Lösung in der Regel durch den datenschutzrechtlich verantwortlichen Arbeitgeber Anwendung finden wird. Im Rahmen einer solchen Datenschutz-Folgenabschätzung muss der Arbeitgeber die Risiken einer personenbezogenen Datenverarbeitung abklären, bevor eine Einführung und Nutzung erfolgt. Gemäß Art. 35 Abs. 2 DSGVO ist unter den dortigen Voraussetzungen der Datenschutzbeauftragte zu beteiligen; der Betriebsrat wird dort nicht benannt. Der Betriebsrat wird in Art. 35 Abs. 9 DSGVO erwähnt – der datenschutzrechtlich verantwortliche Arbeitgeber „…holt gegebenenfalls den Standpunkt…“ des Betriebsrats ein. Art. 35 Abs. 9 DSGVO hat damit nicht die Nachhaltigkeit eines § 87 BetrVG. Insoweit muss versucht werden, in einer Betriebsvereinbarung die Beteiligung des Betriebsrats beim „Schnittmengenthema“ Datenschutz ausdrücklich festzustellen. Daneben hat der Betriebsrat selbstredend die Möglichkeit, im Rahmen seiner allgemeinen Aufgaben im Sinne des § 80 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG die Durchführung von Gesetzen zu überwachen – d.h. gerade auch der DSGVO sowie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDGS). Der Arbeitgeber ist insoweit verpflichtet, den Betriebsrat umfassend und rechtzeitig zu informieren.

Mit einer "maximalen“ Beteiligung lassen sich auch Belastungsfaktoren bestmöglich verhindern.

Ziele einer Betriebsvereinbarung zur Leistungs- und Verhaltensüberwachung

Die Überschrift „Leistungs- und Verhaltensüberwachung“ im Rahmen einer Betriebsvereinbarung – sei es in einer „großen“ Rahmenbetriebsvereinbarung, sei es in „kleinen“ Betriebsvereinbarungen zu einzelnen IT-Lösungen – soll inhaltlich den Arbeitnehmern die Sicherheit geben, nicht per se und ständig überwacht zu werden.

Oft wird zwischen den Betriebsparteien der grundsätzliche Ausschluss von Leistungs- und Verhaltensüberwachung vereinbart. Dort wo es einen Grundsatz gibt, gibt es aber auch Ausnahmen. Und gerade diese Ausnahmen müssen klar bestimmt und definiert werden, um den Arbeitnehmern den verhandelten und letztlich vereinbarten Schutz(-mechanismus) transparent darzustellen. Eine solche Ausnahme, d.h. eine erlaubte Auswertung, hat der deutsche Gesetzgeber in § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG im Kontext des Beschäftigtendatenschutzes zur Aufdeckung von Straftaten geschaffen. Neben der inhaltlichen Ausgestaltung der Leistungs- und Verhaltensüberwachung spielt auch die Beteiligung des Betriebsrats eine wesentliche Rolle, um die Arbeitnehmer bestmöglich zu schützen; d.h. der Betriebsrat sollte so früh als möglich bei Auswertungsszenarien beteiligt werden („4-Augen-Prinzip“).

Maximale Beteiligung des Betriebsrats

Der Betriebsrat sollte den Arbeitnehmern die Sicherheit geben, die Digitalisierung der Arbeit bereits im absoluten Frühstadium – im Idealfall noch vor der Kaufentscheidung des Arbeitgebers – zu beeinflussen und mitzugestalten. Mit dieser bestmöglichen bzw. „maximalen“ Beteiligung lassen sich auch Belastungsfaktoren bestmöglich verhindern.

Daneben soll das Thema Leistungs- und Verhaltensüberwachung inhaltlich transparent in einer Betriebsvereinbarung reglementiert werden. Das Wissen der Arbeitnehmer um diese Sicherheit ist bereits ein Schutz(-mechanismus), um psychische Belastungserscheinungen bei den Arbeitnehmern zu verhindern.

Bekanntes ist neu zu denken und weiterzudenken.

Zu regelnde IT-Themen aus der Praxis

Dies sind einige Beispiele von IT-Thematiken aus meiner Beratungspraxis, die psychische Belastungen mit sich bringen (können) und daher geregelt werden sollten:

  • Ampelfunktionen (z.B. Skype for Business), die mutmaßlich einen Rückschluss auf meine Erreichbarkeit bzw. An-/Abwesenheit zulassen. Eine rote Ampel bedeutet aber nicht zwingend, dass ich nicht arbeite, sondern vielleicht offline arbeite oder in einer Fachzeitschrift lese.
  • Applikationen die eine Aus-/Bewertung meiner Arbeitsleistung zulassen, auch wenn diese nicht durch den Arbeitgeber eingesehen werden kann (z.B. Office 365 Delph): Der Arbeitnehmer kann sich selbst überwachen (und vergleichen); mit den eigenen Leistungen des letzten Tages, der letzte Woche, des letzten Monats – bin ich besser oder schlechter geworden? Ist dies möglicherweise über andere Daten für den Arbeitgeber nachvollziehbar?
  • Videokonferenz und die Frage des Anschaltens der Kamera, insbesondere wenn ich in meiner Wohnung arbeite. Art. 13 Grundgesetz (GG) gewährt die Unverletzlichkeit der Wohnung: Muss/darf der Arbeitgeber, der Geschäftspartner, der Kunde meine Wohnung sehen? Ist ein neutraler Hintergrund die Lösung?
  • Auswertung des Gangbildes bei Videoüberwachung: Algorithmen können Berechnungen/Auswertungen zu meinem Gesundheitszustand feststellen (z.B. ob ich Grippesymptome zeige).
  • Auswertung der Sprache (z.B. Klangfarbe der Stimme, Sprechgeschwindigkeit, Rhythmus): Algorithmen können berechnen, wie sich Arbeitnehmer im Laufe eines Telefonats verhalten werden, unabhängig vom Inhalt des Gesprächs.
  • Soft- und Hardware des Arbeitgebers, die zur Nutzung im mobilen Arbeiten oder Home-Office überlassen werden: z.B. Tracking durch die verbauten GPS-Module, das ständig „erreichbar sein“.
  • Software zur Optimierung von Prozessabläufen und Rollen der Arbeitnehmer: sollen hiermit Maßnahmen der Rationalisierung durch den Arbeitgeber vorbereitet werden? Ist mein Arbeitsplatz noch sicher?
  • Digitalisierung der kompletten Personalverwaltung: Welche Rollen- und Zugriffskonzepte existieren, damit nicht jeder alles sehen kann? Die Angst, ein gläserner Arbeitnehmer zu werden

Einige Beispiele mögen neu sein, andere nicht. Wichtig ist beim Thema Digitalisierung und digitaler Stress: Bekanntes ist neu zu denken und weiterzudenken.

Ziel ist es, die Arbeitnehmer vor psychischen Belastungen zu schützen bzw. diese zu verhindern.

Blick in die Zukunft richten

Meine gute Erfahrung ist es, Technik, insbesondere Software, sehr deutlich zu hinterfragen und zu versuchen, den Blick auch in die Zukunft zu richten. Es geht darum abzuschätzen bzw. zu prognostizieren, was noch kommen kann – sei es als update, sei es als Leistungsangebot eines Drittanbieters. Diese Prognosen sind eine sehr gute Grundlage, um (mögliche) Auswirkungen auf die Arbeitnehmer verorten und einschätzen zu können.

Das alles ist eine unabdingbare Grundlage, um als Betriebsrat mit dem Arbeitgeber reflektiert Betriebsvereinbarungen verhandeln und abschließen zu können – mit dem Ziel, die Arbeitnehmer vor psychischen Belastungen zu schützen bzw. diese zu verhindern.

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