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Betriebliches Eingliederungsmanagement: Das müssen Beschäftigte und Betriebsrat wissen

So lassen sich Arbeitsplätze dauerhaft erhalten

Haben Sie schon mal vom BEM gehört? Hinter diesen drei Buchstaben verbirgt sich eine tolle Sache: das Betriebliche Eingliederungsmanagement. Es soll langfristig oder häufig erkrankten Mitarbeitern die Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglichen und somit dazu beitragen, dauerhaft Arbeitsplätze zu erhalten. Erfahren Sie hier mehr über die gesetzlichen Grundlagen des BEM, seine Ziele, mögliche BEM-Maßnahmen und welche Rolle Sie als Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung dabei spielen. 

Rebekka Mertin | ifb

Stand:  14.2.2024
Lesezeit:  02:30 min

Voraussetzungen für das BEM 

Bereits seit 2004 ist das Betriebliche Eingliederungsmanagement gesetzlich vorschrieben. Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, einem Mitarbeiter, der innerhalb eines Jahres sechs Wochen dauerhaft oder mit Unterbrechungen arbeitsunfähig erkrankt ist, ein BEM anzubieten. Die Art der Erkrankung und ihre Ursache spielen dabei keine Rolle. Es zählt einzig und allein die Summe der krankheitsbedingten Fehltage (42 Kalendertage bei ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit (AU); bei wiederholter AU werden die betroffenen Arbeitstage gezählt, z. B.: 30 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche). Auch die Größe des Betriebs oder ob es sich um ein privatwirtschaftliches Unternehmen, den öffentlichen Dienst oder einen kirchlichen Arbeitgeber handelt, ist unerheblich: Jeder Beschäftigte hat Anrecht auf ein BEM-Verfahren.

Die gesetzliche Grundlage 

Die gesetzliche Grundlage für das Betriebliche Eingliederungsmanagement findet sich in § 167 Abs. 2 SGB IX. Hier werden die Voraussetzungen zur Einleitung eines BEM definiert und die Ziele des BEM-Verfahrens festgelegt. Außerdem schreibt das Gesetz vor, welche Personen (z. B. Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertreter) und ggf. Institutionen am BEM-Prozess beteiligt werden müssen bzw. zur finanziellen oder organisatorischen Unterstützung hinzugezogen werden können.

Wichtig! 

Sozialgesetzbuch neun, kurz SGB IX? Enthält dieses Gesetzbuch nicht die Vorschriften zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung? Ja, das stimmt.   

Trotzdem gilt das BEM-Verfahren nicht nur für Mitarbeiter, die behindert oder gleichgestellt sind.  Bereits 2007 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgelegt, dass das BEM allen Beschäftigten zusteht (BAG vom 12.7.2007 – 2 AZR 716/06).  

Ziele des Betrieblichen Eingliederungsmanagements  

Häufig werden BEM und krankheitsbedingte Kündigung in einem Atemzug genannt – fälschlicherweise. Denn die Ziele des BEM sind im Gesetz klar definiert. Es geht darum, herauszufinden, 

  • wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden
  • mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und
  • der Arbeitsplatz erhalten werden kann.  

Anders formuliert geht es darum, nach Möglichkeiten zu suchen, wie ein Mitarbeiter trotz gesundheitlicher Einschränkungen weiterhin (s)einen Arbeitsplatz behalten und im Unternehmen bleiben kann. Und es gibt unterschiedlichste Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen.

Beteiligte Personen und Institutionen  

Neben dem Arbeitgeber spielen weitere Personen und Institutionen eine Rolle im BEM-Prozess. Laut § 167 Abs. 2 SGB IX müssen die zuständigen Interessenvertretungen – der Betriebsrat oder Personalrat, bei schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten außerdem die Schwerbehindertenvertretung – am BEM-Prozess beteiligt werden.   

Bei Bedarf können auch der Betriebsarzt oder die Fachkraft für Arbeitssicherheit hinzugezogen werden, ebenso wie externe Institutionen wie Reha-Träger (Rentenversicherung, Krankenkrassen, Unfallversicherung und die Agentur für Arbeit), das Integrationsamt oder der Integrationsfachdienst.

Herr des Verfahrens ist der BEM-Berechtigte  

Die wichtigste Person im BEM ist jedoch der BEM-Berechtigte, also Ihr erkrankter Kollege. Er ist der „Herr des Verfahrens“ – und darf frei entscheiden, ob er das BEM-Angebot annehmen oder ablehnen möchte. Lehnt er das BEM ab oder bricht er ein laufendes Verfahren ab, dürfen ihm keine Nachteile daraus entstehen.   

Auch darf der BEM-Berechtigte eine Vertrauensperson eigener Wahl (z. B. einen Angehörigen) hinzuziehen und darüber entscheiden, ob Sie als Betriebsrat, Personalrat oder Schwerbehindertenvertreter an seinem individuellen BEM-Prozess mitwirken sollen.

Ihre Rolle als Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung im BEM 

Es ist gesetzlich festgelegt, dass Sie als Interessenvertreter (BR, PR, SBV) am BEM-Prozess zu beteiligen sind – und das in mehrfacher Hinsicht.

Überwachungsrecht  

Laut § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG müssen Sie als Betriebsrat darüber wachen, dass alle Gesetze, die zugunsten der Arbeitnehmer erlassen wurden, wirklich umgesetzt werden. Das gilt auch für das BEM. Damit Sie diesem Auftrag nachkommen können, muss Ihnen der Arbeitgeber die Namen aller Kollegen mitteilen, die BEM-berechtigt sind (also die erforderlichen Fehlzeiten aufweisen). Ebenso muss er Ihnen jedes Informationsschreiben, das den erkrankten Kollegen vor/zu Beginn des BEM-Prozesses zugesandt wird, weiterleiten. 

Ob Sie über die weiteren Schritte und Maßnahmen informiert werden, hängt von der expliziten Zustimmung der betroffenen Kollegen ab.

Initiativrecht  

Wenn einem Kollegen kein BEM angeboten wird, obwohl er laut Fehlzeiten ein Anrecht darauf hat, können Sie als Betriebsrat, Personalrat oder Schwerbehindertenvertretung aktiv werden und das BEM-Verfahren für den betroffenen Kollegen einfordern. Der Kollege selbst kann hier nicht aktiv werden und ist auf Ihre Hilfe angewiesen.

Mitbestimmungsrecht  

Bei § 167 Abs. 2 SGB IX handelt es sich laut Bundesarbeitsgericht um eine Rahmenvorschrift, die dem betrieblichen Gesundheitsschutz dient. Das bedeutet, dass die Unternehmen vor Ort selbst regeln, wie das BEM-Verfahren konkret ausgestaltet wird. Als Betriebsrat sind Sie dabei in der Mitbestimmung. So entscheiden Sie beispielsweise mit, wie der BEM-Prozess schrittweise abläuft oder wie die Anschreiben formuliert werden. In der Praxis hat sich auch die Einrichtung eines festen BEM-Teams bewährt, dem Sie als Betriebs-, Personalrat oder Schwerbehindertenvertreter nach Möglichkeit fest angehören und dessen Befugnisse klar gelregelt sind.    

Der Abschluss einer BEM-Betriebs- oder Inklusionsvereinbarung, die das Verfahren transparent regelt, ist sehr zu empfehlen.

Eingeschränkte Beteiligung als Interessenvertreter  

Auf der anderen Seite hat das BAG die Beteiligung der Interessenvertreter am BEM-Verfahren eingeschränkt. So kann es dazu kommen, dass Sie als Betriebsrat, Personalrat oder SBV an BEM-Prozessen nicht teilnehmen – und zwar immer dann, wenn der BEM-Berechtigte sich für ein BEM-Verfahren ohne Beteiligung der Interessenvertreter entscheidet. Auch darüber muss Ihr Arbeitgeber Sie informieren.  

Für das BEM „werben“  

Ihnen kommt als Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertreter neben den gesetzlich vorgeschrieben Aufgaben eine weitere wichtige Rolle im BEM zu: Sie können als Multiplikator regelmäßig über das Betriebliche Eingliederungsmanagement und seine Ziele informieren, z. B. auf Betriebsversammlungen oder in einem Newsletter. So tragen Sie maßgeblich dazu bei, Ängste und Sorgen bei betroffenen Kollegen abzubauen, die BEM immer noch als Vorstufe einer krankheitsbedingten Kündigung verstehen. 

Mögliche BEM-Maßnahmen 

Das Bundesarbeitsgericht definiert das Betriebliche Eingliederungsmanagement als einen verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess. Damit ist gemeint, dass jeder BEM-Fall anders ist und neu betrachtet werden muss. So gibt es eben nicht die eine, immer passende Lösung für alle, die z. B. an Rückenschmerzen leiden. Stattdessen darf kreativ gedacht werden, um praxisnahe, individuelle Lösungen zu finden, welche die Rückkehr an den Arbeitsplatz und den Erhalt der Arbeitsfähigkeit ermöglichen. Die durch einen Arzt verordnete stufenweise Wiedereingliederung ist wohl die bislang bekannteste BEM-Maßnahme. Doch es gibt noch viel mehr Möglichkeiten, wie z. B.:  

  • verkürzte oder veränderte Arbeitszeiten  
  • Anschaffung technischer Hilfsmittel  
  • Umgestaltung des Arbeitsplatzes  
  • Veränderung der Arbeitsschwerpunkte  
  • Weiterbildungen oder Umschulungen  
  • Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz u. v. m. 

Auch hier gilt das Prinzip der Freiwilligkeit: Nur wenn der BEM-Berechtigte der jeweiligen Maßnahme zustimmt, kann diese auch durchgeführt werden. Lehnt er eine Maßnahme ab, ist das BEM aber nicht automatisch beendet. Es muss erst nach anderen Lösungen gesucht werden.

Der Ablauf eines BEM-Verfahrens 

Wie genau das Betriebliche Eingliederungsmanagement in Ihrem Betrieb ablaufen sollte, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben – betriebsspezifische Besonderheiten können also berücksichtigt und in einer BEM-Betriebs- oder Inklusionsvereinbarung festgehalten werden. Hier bestimmen Sie als Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung mit. 

In der betrieblichen Umsetzung haben sich die folgenden sieben Schritte bewährt:  

  1. Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (länger als sechs Wochen, bzw. mehr als 30 Arbeitstage in 12 Monaten)  
  2. Kontaktaufnahme zum BEM-Berechtigten  
  3. Erstgespräch  
  4. Fallbesprechung (Zweitgespräch)  
  5. Vereinbarung konkreter betrieblicher Maßnahmen  
  6. Durchführung/Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen  
  7. Überprüfung und Evaluation der vereinbarten Maßnahmen (Dokumentation)
BEM-Ablaufplan – so funktioniert’s!
Das Poster zum BEM-Ablauf erhalten Sie in ausgewählten Seminaren, z.B. BEM Teil I oder BEM für psychisch erkrankte Mitarbeiter !

Datenschutz im BEM 

Freiwilligkeit und Vertrauen werden häufig als die Grundprinzipien des BEM-Verfahrens bezeichnet. Eine ebenso wichtige Rolle spielt der Datenschutz – schließlich geht es hier um hochsensible, gesundheitsbezogene Daten. Diese dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung des BEM-Berechtigten erhoben werden. Er oder sie bestimmt auch, wer Zugang zu diesen Daten haben darf. Verwendet werden dürfen sie nur im Rahmen des BEM-Verfahrens. Sie dürfen also nicht zu anderen Zwecken herangezogen werden. In der Praxis hat sich die Trennung von BEM-Akte und Personalakte bewährt. In die Personalakte kommt lediglich ein Vermerk, dass ein BEM angeboten und angenommen oder abgelehnt wurde. Verantwortung für die Umsetzung des Datenschutzes trägt der Arbeitgeber – doch Sie als Betriebsrat haben die Pflicht, über die Einhaltung des Datenschutzes zu wachen.  

Übrigens: Der BEM-Berechtigte muss seine medizinische Diagnose nicht offenlegen. Denn in einem BEM-Verfahren geht es nicht um die Krankheit als solche, sondern darum, herauszufinden, welche Tätigkeiten der BEM-Berechtigte ausführen kann.

Das BEM und die krankheitsbedingte Kündigung 

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement wurde 2004 unter anderem eingeführt, um krankheitsbedingte Kündigungen zu vermeiden! Ziel ist stattdessen, Arbeitsplätze dauerhaft zu erhalten und ggf. den Einschränkungen des erkrankten Arbeitnehmers anzupassen. Die Durchführung eines BEM schließt jedoch nicht grundsätzlich eine krankheitsbedingte Kündigung aus. Der Arbeitgeber muss jedoch nachweisen, dass er ALLES unternommen hat, um eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Das ist bei der Vielzahl der möglichen BEM-Maßnahmen nahezu unmöglich.  

Lehnt ein erkrankter Beschäftigter die Teilnahme an einem oder sogar mehreren BEM-Verfahren ab, hat er keine unmittelbaren arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Kommt es im Laufe der Zeit jedoch zu einer krankheitsbedingten Kündigung, kann der Arbeitgeber diese vor Gericht leichter durchsetzen.

Videos zum Thema BEM 

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