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Suchterkrankungen im betrieblichen Umfeld

Seien Sie als Betriebsrat informiert und werden Sie zum verlässlichen und kompetenten Ansprechpartner

Veröffentlicht am 17.01.2022
Kathrin Wiemann | ifb
Sucht ist kein Randproblem und kein Problem einzelner, willensschwacher Menschen in der Gesellschaft. Es gibt viele Betroffene und eine hohe Dunkelziffer. Häufig ist Sucht mit dramatischen persönlichen Schicksalen verbunden. Familienangehörige, Freunde, Bekannte sowie Kollegen sind oft mit betroffen, die Co-Abhängigkeit: Die Sucht des anderen wird oft zum alles beherrschenden Thema in der zwischenmenschlichen Beziehung, so auch im Betrieb. Was Sucht am Arbeitsplatz bedeutet und wie Sie als Betriebsrat beim Thema Suchtprävention mitwirken und Betroffenen helfen können, erläutern wir in diesem Leitfaden.
 

Viele Betroffene, viele Süchte

Sucht verursacht gesundheitliche, soziale und volkswirtschaftliche Probleme. In Deutschland sind nach repräsentativen Studien 12 Millionen Menschen nikotinabhängig, 1,6 Millionen Menschen alkohol- und ca. 2,3 Millionen Menschen medikamentenabhängig. Ein problematischer Konsum von Cannabis und anderen illegalen Drogen liegt bei rund 600.000 Menschen vor.

Stoffgebundene und stoffungebundene Sucht

Bei stoffgebundenen Süchten besteht eine Abhängigkeit von einem Suchtmittel. Es wird also etwas konsumiert. Hier unterscheidet man zwischen legalen, also vom Gesetz erlaubten Suchtmitteln (z.B. Alkohol und Nikotin) und illegalen Suchtmitteln (z.B. Heroin, Kokain, Cannabis, Ecstasy).
Sucht ist aber nicht immer an ein Suchtmittel gebunden.

Wenn ein Verhalten zur Sucht wird, sprechen wir von verhaltensgebundenen oder auch stoffungebundenen Süchten. Hierzu gehört die Abhängigkeit von bestimmten Handlungen, wie Spielsucht, Kauf- oder Internetsucht. Rund 560.000 Menschen sind hierzulande onlineabhängig und 500.000 Menschen zeigen ein pathologisches Glücksspielverhalten.

Zitat
Sucht ist alles, worüber ich lüge und beginne zu täuschen
Zitat

Wann liegt eine krankhafte Sucht vor?
Die folgenden beiden Merkmale helfen, Süchte zu erkennen:

  • Kontrollverlust: Man kann nicht mehr aufhören bzw. sein eigenes Verhalten nicht mehr kontrollieren.
  • Toleranzentwicklung: Je länger der Konsum andauert, desto mehr lässt die Wirkung eines Suchtmittels nach. Der Körper gewöhnt sich, was bedeutet, dass man für dieselbe Wirkung immer wieder die Dosis steigern muss.

Physische und psychische Abhängigkeit

Unter körperlicher bzw. physischer Abhängigkeit versteht man die körperlichen Entzugserscheinungen, wie z.B. starke Unruhe, Übelkeit oder Krämpfe, die beim Auslassen des Konsums auftreten.

Auch die psychische Abhängigkeit ist charakteristisch für eine Sucht. Einfach beschrieben bedeutet psychische Abhängigkeit, dass man sich nur nach der Einnahme einer Substanz oder dem Durchführen einer Handlung gut fühlt und sich einfach alles um die Sucht dreht.

Bei der Grafik „Suchtkreislauf“ wird deutlich, wie der Konsum ein Glücksgefühl bewirkt. Alkohol (Ethanol) kann die Ausschüttung der Hirnbotenstoffe Dopamin und Serotonin ankurbeln. Wie eine regelrechte Überflutung im Gehirn, man fühlt sich dann entspannt und euphorisch. Hoher und wiederkehrender Alkoholkonsum greift in die Wirkmechanismen des Gehirns ein und führt zu depressiven Verstimmungen. Denn nach dem Ausstoß der Botenstoffe und dem Rausch folgt der Abfall des Spiegels.

Alkoholkranke Menschen sind erwiesenermaßen einem erhöhten Risiko für Depressionen ausgesetzt. Der Umkehrschluss: Für depressive Personen dient Alkohol in vielen Fällen als Selbstmedikation für Entspannung und Angstlösung. Kurzfristig wird diese Wirkung auch erzielt, dann verstärkt sich aber die Wirkung, der Teufelskreis ist im Gange.

Zitat
Sucht hat immer eine Geschichte und ist nie plötzlich da.
Zitat

Wie entsteht eine Sucht?

Der Genuss: Eine Substanz oder ein Verhalten wird im unschädlichen Maße konsumiert bzw. ausgeführt. Mal ein Glas Sekt zum Anstoßen oder mit Freunden shoppen gehen, weil man einfach Lust darauf hat.
Beim Missbrauch wird nicht mehr zum Zweck konsumiert, sondern weil man damit einem Zustand ausweichen möchte, z.B., um seinen Ärger abzubauen oder um sich einfach abzulenken.

Die Gewöhnung liegt vor, wenn der Missbrauch regelmäßig betrieben und somit zur Gewohnheit wird. Wer jeden Abend ein Glas Wein trinkt oder immer in die Spielhalle fährt, wenn man den Alltag vergessen möchte.

Abhängigkeit bedeutet, dass die Substanz bzw. das Verhalten nötig wird, um das Leben zu bewältigen. Man kann nicht einschlafen, ohne Alkohol zu trinken, man muss shoppen gehen, um sich gut zu fühlen.

Die Sucht. Es zählt nur noch sie. Alles andere tritt völlig in den Hintergrund. Man kann ohne den Konsum nicht mehr leben, denkt an nichts anderes mehr als Shoppen, Spielen, den Rausch.

Wie gesagt: diese Entwicklungen haben einen Vorlauf, eine Geschichte. Fakt ist, dass der Weg vom Genuss zur Sucht oft leicht und schneller gegangen wird, der Weg „zurück“ sehr langsam und schwierig zu schaffen ist.

Sucht am Arbeitsplatz

Das Thema Sucht am Arbeitsplatz ist besonders sensibel. Für den Betriebsrat bedeutet es, dass er viel Einfühlungsvermögen mitbringen muss. Oft wird das Thema tabuisiert oder die Erkrankten werden stigmatisiert. Dabei kann insbesondere eine gute Aufklärung die Betroffenen im Betrieb unterstützen.
Hier können Sie als Betriebsratsgremium aktiv werden und als Experten sowohl bei der Suchtprävention im Betrieb als auch im individuellen Fallmanagement Initiator, Ansprechpartner und Helfer sein.

Der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz zur Prävention und zum Abbau gesundheitlicher Gefährdungen am Arbeitsplatz verpflichtet. Der Arbeitgeber hat eine besondere Rolle: Er trifft die notwendigen Entscheidungen und ist maßgeblich daran beteiligt, den Präventionsgedanken in der Unternehmenskultur zu verankern. Fach- und Führungskräfte sind für diese Aufgaben noch stärker zu sensibilisieren.
Gerade im Rahmen der Suchthilfe im Betrieb ist ein Netzwerk zu Suchtberatern und außerbetrieblichen Anlaufstellen sehr hilfreich, ebenso eine Kontaktpflege zu ambulanten und stationären Suchthilfen/Suchthilfekliniken.

Die betrieblichen Interessenvertretungen sind üblicherweise im Rahmen des Arbeitskreises Sucht an der Konzeption von Präventions- und Schulungsmaßnahmen beteiligt, die sich an die verantwortlichen Führungskräfte und an Beschäftigte richten.

Suchtprävention und Gesundheitsförderung

Im Fokus steht zunächst die Aufklärung über die Gefahren des Suchtmittel- oder Drogenkonsums. Ein riskanter Konsum soll vermieden werden.
Einerseits werden in Betrieben oft Maßnahmen ergriffen, die der Einschränkung des Suchtmittelkonsums und der Verringerung von Risiken am Arbeitsplatz dienen. Beispiele sind Alkoholverbote, eingeschränkte Raucherbereiche und fehlender Nikotinverkauf.
Andererseits kann die Stärkung persönlicher und sozialer Fähigkeiten gefördert werden: Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeiter aktiv dabei, verantwortungsbewusste Einstellungen und Verhaltensweisen zu entwickeln.

Verhaltens- und Verhältnisprävention

Es wird zwischen der Verhaltens- und Verhältnisprävention unterschieden.
Eine auf das Verhalten ausgerichtete Prävention zielt darauf ab, eine Verhaltensänderung beim Individuum zu erreichen. Die Verhältnisprävention schafft betriebliche Rahmenbedingungen, die dem Suchtmittelkonsum allgemein vorbeugen sollen.

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Der Stufenplan – Gespräche im Dialog

Ist ein Mitarbeiter am Arbeitsplatz durch einen riskanten Suchtmittelgebrauch oder durch suchtbedingtes Verhalten aufgefallen, muss gehandelt werden. Doch Menschen mit Suchtproblemen auf ihren Substanzkonsum bzw. auf ihr Suchtverhalten anzusprechen, erfordert eine gute Vorbereitung im Betriebsrat. Die Betroffenen reagieren nicht selten mit Abwehr, wenn sie auf den riskanten Konsum und damit verbundenes Fehlverhalten angesprochen werden. Das Abwehrverhalten sollte nicht als bewusstes Verhalten betrachtet werden. Betroffene sind oft nicht in der Lage, anders auf Kritik zu reagieren.

Mögliche Reaktionen können sein:

  • Aggressiv: „Unverschämt, das muss ich mir nicht bieten lassen.“
  • Mitleiderweckend: „Ich habe im Moment viele Probleme und Schwierigkeiten zu Hause.”
  • Gleichgültig: „Das ist mir egal, wenn Sie meinen ...“
  • Erpresserisch: „Ich kann Ihnen da auch einiges auftischen, was Sie interessieren wird.“
  • Einsichtig, aber ohne Bereitschaft: „Sie haben Recht, ich muss mich ändern, aber nicht hier und jetzt!”

Eine hilfreiche, strukturierte Intervention ist der sogenannte Stufenplan, eine Intervention mit fünf Gesprächsstufen. Er wird dann eingeleitet, wenn es Auffälligkeiten am Arbeitsplatz gibt, die auf einen riskanten Suchtmittelgebrauch oder suchtbedingtes Verhalten deuten und ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche bzw. dienstrechtliche Verpflichtungen im Raum steht.

Anders als ein Fürsorgegespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter dienen Stufengespräche nicht dem Ausdruck einer Sorge. Ziel ist vielmehr, dem Beschäftigten mitzuteilen, dass Pflichtverletzungen in mutmaßlichem Zusammenhang mit Substanzproblemen stehen.  Neben dem Mitarbeiter und seiner Führungskraft nimmt, falls vorhanden, der innerbetriebliche Suchtberater oder Psychologe teil – und natürlich Sie als Betriebsrat, wenn vom Mitarbeiter gewünscht.

Im Stufenplan wird dem Mitarbeiter konkrete Unterstützung angeboten, indem er z.B. auf interne/externe Hilfen hingewiesen wird. Nimmt er Hilfe an und kommt es zu keinen weiteren Auffälligkeiten, wird diese Verhaltensänderungen im Durchlaufen der Stufen gewürdigt.

Es ist aber auch vorgesehen, Sanktionen einzuleiten, sofern erneute Pflichtverletzungen sichtbar werden.


Wichtig! 

Der Betrieb kann den Besuch einer Beratungsstelle oder Klinik nachdrücklich empfehlen, raten oder nahelegen. Eine Anordnung darf der Betrieb dennoch nicht aussprechen.

So können die Gesprächsstufen ablaufen:

Erstes Gespräch: Die Auffälligkeiten werden angesprochen und es wird eine Vereinbarung getroffen. Dann wird beobachtet, ob eine positive Verhaltensänderung dazu führt, dass die arbeitsvertraglichen bzw. dienstrechtlichen Pflichten erfüllt werden. Bei positiver Änderung sind keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen einzuleiten, sie sollte dienstrechtlich gewürdigt werden. Nach sechs bis acht Wochen wird ein Rückmeldegespräch durchgeführt.

Bei einem erneuten Verstoß und/oder Störungen am Arbeitsplatz wird das zweite Gespräch eingeleitet, und so weiter. Nach sechs bis acht Wochen wird ein Rückmeldegespräch durchgeführt.

Bis zur 4. Stufe wird so verfahren. Kommt es nach dem vierten Stufengespräch weiterhin zu Auffälligkeiten, so werden im fünften und letzten Gespräch ein letztes Mal Unterstützungen und Hilfeangebote unterbreitet. Eine Weigerung der Aufnahme einer Therapie hat zur Folge, dass seitens des Arbeitgebers ein Kündigungsverfahren eingeleitet bzw. disziplinarrechtliche Entscheidungen herbeigeführt werden können.

Tipp!

Machen Sie sich für eine Betriebsvereinbarung zum Thema „Sucht” stark. Unabhängig davon, was in einer Vereinbarung steht, können Beschäftigte bei Gesprächen und Maßnahmen dieser Art immer ihre betriebliche Interessenvertretung hinzuziehen. Ist dies allerdings in der Vereinbarung verschriftlicht, bekunden die Betriebsparteien damit den Willen zu einem nachvollziehbaren Verfahren.

Lexikon

Alkohol und Drogen im Arbeitsverhältnis

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