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Nein, BRV heißt nicht Betriebsratsvorgesetzter – auch wenn es sich manchmal vielleicht so anfühlt. Der Betriebsratsvorsitzende ist derjenige, der dem Gremium vorsitzt, die Sitzungen und Versammlungen leitet sowie die Beschlüsse des Betriebsrats nach außen hin vertritt. Er ist keine Führungskraft – hat also keine Disziplinargewalt – und dennoch muss er eine Führungspersönlichkeit sein.
Als Betriebsratsvorsitzender haben Sie die spannende, aber nicht immer leichte Aufgabe, ein bunt gemischtes Betriebsratsteam mit den verschiedensten Charakteren nicht nur zusammenzuführen, sondern auch zu führen.
Verschaffen Sie sich Klarheit über alle Aspekte Ihrer neuen Rolle und lernen Sie Ihre (Führungs-)Stärken bewusst kennen und gezielt einzusetzen.
Zwar sind Sie als BRV zunächst auch ein „einfaches Betriebsratsmitglied“ wie alle anderen Mitglieder auch. Über Ihr Mandat hinaus hat Ihnen aber das Betriebsverfassungsgesetz zusätzliche Befugnisse, Aufgaben und Zuständigkeiten aufgetragen. So kommt es, dass nicht nur Ihre eigenen Kollegen im Betriebsrat, sondern auch die Belegschaft und der Arbeitgeber ein anderes Rollenverhalten als vom „einfachen Betriebsratsmitglied“ erwarten. Auch Ihre BR-Kollegen schenkten Ihnen mit der Wahl Ihr Vertrauen und erwarten, einmal ganz salopp ausgedrückt, dass Sie nun den „Laden schmeißen“ und die „Mannschaft zusammenhalten“.
Wer in einem Unternehmen eine klassische Führungsposition übernimmt, legt der Arbeitgeber fest. Er stattet die Führungskraft mit den entsprechenden Kompetenzen aus und definiert den Verantwortungsbereich und Entscheidungs-/Weisungskompetenzen. In der klassischen Linienorganisation übernehmen Führungskräfte Disziplinar- und Fachverantwortung.
Projektleiter oder Fachvorgesetzte hingegen sind meist lediglich mit Weisungs- und Entscheidungskompetenzen in sachlich/fachlicher Hinsicht ausgestattet. Disziplinarische Maßnahmen obliegen in der Regel der Linienführungskraft eines Mitarbeiters. In diesem Fall spricht man von lateraler Führung – Führen ohne Weisungsbefugnis.
Tja, und welche Art von Führungskraft ist der Betriebsratsvorsitzende? Die kryptische Antwort lautet: Es kommt darauf an.
Denn schlussendlich bestimmt das BR-Gremium neben den vom Gesetz bereits definierten Führungsaufgaben, in welchem Umfang der Betriebsratsvorsitzende Führung wahrnimmt.
Im Gegensatz zur klassischen Führungskraft wird der BRV von seinem Gremium gewählt. Das Gremium beauftragt wiederum den BRV mit der Wahrnehmung von Aufgaben. Hierzu gehören auch die Führungsaufgaben. Das bedeutet, dass Sie sich als BRV einen Auftrag von Ihrem Gremium abholen müssen, um für eine allein verantwortliche Wahrnehmung von Aufgaben berechtigt zu sein.
Wenn Sie sich nicht sicher sind, was Ihr Gremium genau von Ihnen erwartet, dann fragen Sie es doch einfach – beispielsweise in einer Teambildungs-Klausur.
Klar ist aber auch: Eine Vorgesetztenfunktion mit Disziplinarvollmacht ist der Betriebsratsvorsitzende in keinem Fall.
Um Ihr Gremium erfolgreich zu leiten, helfen Ihnen verschiedene Verhaltensweisen und Fertigkeiten. Unter anderem sollten Sie als BRV:
Als Erster (BRV) unter Gleichen (BR-Mitglied) nimmt der Betriebsratsvorsitzende ohne disziplinarische Weisungsbefugnis eine Rolle ein, die er ausschließlich über seine Persönlichkeit ausfüllen muss. Respekt, Anerkennung und Akzeptanz seiner Führungsrolle leben von seiner Integrität, Vorbildfunktion, Klarheit und Verlässlichkeit, den gelebten Werten und seinen persönlichen Stärken.
Wenn Ihnen das gelingt zu zeigen und zu leben, dann brauchen Sie auch keine Druckmittel und Disziplinierungsmöglichkeiten – denn Sie werden aus Ihrer Person heraus überzeugen.
Erfolgreiches Führen von Menschen setzt das Vorhandensein der sogenannten Leitungskompetenz voraus. Leitungskompetenz bedeutet, über eine hohe Fähigkeit der Selbststeuerung zu verfügen. Gleichzeitig umfasst sie soziale, kommunikative, methodische und fachliche Kompetenzen.
Wer andere Menschen führen will, braucht die Fähigkeit, sich selbst gut zu kennen und sich damit auch selbst steuern zu können. Insoweit braucht es ein Bewusstsein über persönliche Stärken und Schwächen und das, was den Einzelnen im Leben leitet.
Dabei sollte man sich über folgende Punkte im Klaren sein:
Fragen Sie doch einmal vertraute Menschen um eine Rückmeldung zu Ihren Stärken und Schwächen – oft ist es ganz interessant herauszufinden, ob Selbst- und Fremdwahrnehmung übereinstimmen.
Mit Ihren Aufgaben kommen Ihnen als Betriebsratsvorsitzender verschiedene Rollen zu. Abhängig von der jeweiligen Situation schlüpfen Sie in eine Rolle. Dies hat nichts mit Schauspielerei zu tun, vielmehr bestimmt Ihre Rolle Ihre innere Haltung und Verantwortung.
Welches ist nun der richtige Führungsstil im Gremium? Der Begriff Führungsstil bezeichnet ein langfristiges, relativ stabiles, von der Situation unabhängiges Verhaltensmuster einer/eines Führungskraft/Betriebsratsvorsitzenden, das zugleich die Grundeinstellung gegenüber den Mitarbeitern/Betriebsratsmitgliedern zum Ausdruck bringt.
In den letzten 100 Jahren hat sich die Idee, wie Führung funktioniert, stetig gewandelt. Die Führungslehre basiert noch heute auf den von Kurt Lewin entwickelten Führungsstilen:
Alle diese Führungsstile haben Vor- und Nachteile.
So hat der autoritäre Führungsstil seine Vorteile, wenn schnell und entschlossen gehandelt werden muss. Da die Verantwortung klar ist, kann in Krisensituationen schnell und klar entschieden werden. Auf Dauer wird aber bei den Mitarbeitern die Motivation schwinden. Da keine Selbständigkeit vorhanden ist, geht die Arbeit nicht weiter, wenn der Vorgesetzte nicht da ist. Vorgesetzte kommen auch leicht in eine Überforderung.
Beim Laissez-Faire-Stil haben die Mitarbeiter ein hohes Maß an Freiheit, mit denen sie unter Umständen nicht umgehen können. Absolute Freiheit kann auch zu Desorientierung führen. Andererseits: Da die Mitarbeiter selbstbestimmt mit einem großen Spielraum handeln, kann sich das motivierend auswirken und die Mitarbeiter können ihre persönlichen Stärken einbringen.
Beim kooperativen Führungsstil wird die Motivation der Mitarbeiter gefördert, weil ihre Ideen und Vorschläge ernst genommen werden. Der Vorgesetzte wird entlastet und das Arbeitsklima ist angenehm und fördert gute Ergebnisse. Aber auch dieser Stil hat seine Nachteile: Es besteht die Gefahr, dass es zu keinen klaren Entscheidungen kommt. In seinem Bemühen, es allen recht zu machen, kann sich der Vorgesetzte im Ernstfall nicht durchsetzen. Darunter kann die Disziplin leiden und notwendige Entscheidungen können auf die lange Bank geschoben werden.
Heute gehen wir davon aus, dass sich der Führungsstil aus der Situation (Bedingungen), den Fähigkeiten und der Motivation von Mitarbeitern ergibt. Man unterscheidet im Wesentlichen zwischen direktiver und kooperativer Führung.
Wer würde spontan nicht sagen, dass der kooperative Führungsstil der richtige ist? Doch ganz so einfach ist es nicht.
Für Routinearbeiten, insbesondere unter Zeitdruck, hat die direktive Führung sehr wohl ihre Berechtigung. Denken Sie nur mal an einen Betriebsunfall: Feuer an einer Maschine, vielleicht sogar Verletzte: in solchen Fällen ist schnelles Handeln gefragt: Notabschaltung, Werksfeuerwehr, Krankentransport – all das wird als Routine eingeübt und muss im Notfall zu 100 Prozent funktionieren. Hier wird direktiv geführt – und muss direktiv geführt werden. Für Diskussionen und neue Ideen ist in solchen Situationen keine Zeit.
Bei komplexen und kreativen Arbeiten hingegen ist die kooperative Führung sinnvoll. Die Arbeiten erfordern meist situative Anpassungen, sie können nicht bis ins Kleinste vorausgeplant werden. Eine hohe Selbstständigkeit der Handelnden ist gefragt.
Für die direktive Führung brauchen Sie detailliertes Fachwissen und den Überblick. Bei der kooperativen Führung ist vor allem Ihre Fertigkeit gefragt, die Beteiligten zu begeistern und Richtungen (nicht das Ergebnis) vorzugeben.
Was sind nun die klassischen Aufgaben des Betriebsratsvorsitzenden, neben denen, die im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben sind?
Die Teamentwicklung steht am Anfang jeder neuen Wahlperiode an und hört im Endeffekt nie auf. Deswegen ist die berühmte Teamuhr von B.W. Tuckman auch rund.
Wer nicht weiß, wo er hinwill, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er nicht ankommt. Für eine erfolgreiche und effektive BR-Arbeit braucht es neben der Einigung auf Ziele eine gute und realistische Planung. Dies geschieht am besten durch ein klassisches Projektmanagement: Erarbeiten Sie zunächst die Ziele, klassifizieren und priorisieren Sie diese und delegieren Sie abschließend die Aufgaben. So wissen alle, wo es langgeht!
Da BR-Arbeit meistens neben den eigentlichen Arbeitsaufgaben stattfindet, ist das richtige Projektmanagement hier ganz wichtig.
Nach der Wahl ist die Versuchung groß, durch hohe Stimmenzahl die Machtverhältnisse in den Gremien im eigenen Interesse durchzusetzen. Nicht nur die Frage, wer die Freistellung(en) bekommt, sondern auch, wer in welchem Ausschuss sitzt, wird häufig ohne Rücksicht auf Verluste vom Wahlsieger durchgesetzt. Für eine gute BR-Arbeit ist diese Gewinner-Verlierer-Mentalität aber langfristig fatal. Daher: Vergeben Sie Projekte, thematische Zuständigkeiten und Funktionen vor allem nach der persönlichen Kompetenz und nicht nach dem Wahlergebnis (auch und gerade bei der Listenwahl!).
Es gibt in jedem BR „Zugpferde“ und Leistungsträger. Diese engagieren sich stark und sie werden immer um Rat gefragt, weil sie über Wissen und Erfahrung verfügen. Es ist ja auch einfacher, jemanden zu fragen, als selbst nachzulesen. Auf der anderen Seite ist die starke Zurückhaltung einzelner Mitglieder typisch, wenn es um die Übernahme ungeliebter Themen oder Tätigkeiten geht. Deshalb empfiehlt es sich bereits frühzeitig, „passive“ Mitglieder zu aktivieren und ihnen konkrete Aufgaben zu übertragen. Wichtig: Delegieren Sie dabei nicht nur die Pflichten, etwas zu tun, sondern auch die im Zusammenhang mit der Aufgabe stehenden Rechte!
Versuchen Sie auch die Kollegen, soweit es geht, gemäß ihrer Stärken, Fähigkeiten und Kenntnisse einzusetzen. So schaffen Sie sich motivierte und engagierte Mitstreiter.
Kein Gremium ist immer einer Meinung. Und die Themen, mit denen Betriebsräte zu tun haben, sind oft „heiß“. In der Hitze der Diskussion und der unterschiedlichen Persönlichkeiten braucht der Umgang miteinander eine besondere Beachtung: Hart in der Sache – aber weich zur Person. Und niemand wird zum Spezialisten dafür geboren: Deshalb sollten die Kommunikations- und Verhandlungskompetenzen aller Mitglieder systematisch gefördert werden
Bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ist es sehr hilfreich, die eigentlichen Interessen vor die Positionen zu stellen. Dabei hilft es, nicht auf fixen Zahlen zu bestehen (z.B. „drei neue Stellen“), sondern die dahinterstehenden Bedürfnisse zu bearbeiten (z.B. „Leistungsdruck vermindern“). Auch hier gilt: Ruhig hart in der Sache – aber weich zur Person!
BRV-Arbeit ist (immer schon aber doch zunehmend) anspruchsvoll und erfordert viel Kompetenz. Dafür ist sowohl eine inhaltlich sehr gute Vorbereitung als auch eine hohe soziale Kompetenz notwendig. Schulen Sie Ihre Kompetenzen in jedem Fall. Auch bereits bestehende Fähigkeiten können und müssen weiterentwickelt werden!
Mehr zu diesem Thema im Leitfaden Persönlichkeitsentwicklung
Der Betriebsrat arbeitet und keiner bekommt es mit? Die Wichtigkeit von Information und Austausch wird immer wieder unterschätzt. Auch wenn der BR nicht über alles sprechen darf: DASS man gerade an diesem oder jenem Thema arbeitet, kann durchaus erwähnt werden. Der wichtigste Tipp zur Frage, welche Themen für die Mitarbeiter gerade wichtig sind, lautet: „Das Ohr bei den Menschen haben“. Dies ist die beste Basis für eine gute BR-Arbeit. Ich wünsche Ihnen einen guten Start in Ihre (neue) Amtszeit!