Liebe Nutzer,

für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.

Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team

Strategie im Betriebsrat: Eine Aufgabe für Vorsitzende

Die Interessen der Kollegen mit langfristiger Perspektive vertreten

Veröffentlicht am 10.01.2022
Frau Gabriele Lengauer
Betriebsräte stehen vor der Herausforderung, die vielfältigsten Alltagsaufgaben zu bewältigen: Gespräche mit den Kollegen, Diskussionen mit der Geschäftsleitung, Informationsbeschaffung, kurzfristige Stellungnahmen, Fortbildungen etc. Wenn Sie schon länger im Amt sind, kennen Sie das bestimmt. Bei vielen Gremien besteht die Gefahr, dass mit der Tagesarbeit die meiste Zeit und Energie aufgebraucht ist. Doch was ist mit langfristigen Vorhaben? Was wollten Sie als Betriebsratsvorsitzender wirklich zusammen mit Ihrem Gremium erreichen? Was können Sie für die langfristige Existenz- und Arbeitsplatzsicherung Ihres Unternehmens tun? Die Erreichung von Zielen bedarf einer systematischen Planung, die immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden muss. In diesem Zusammenhang wird oft von „Strategiearbeit“ gesprochen.

 

Was ist ein „Strategieprozess“?

Der Strategieprozess kann gut mit einem Arztbesuch verglichen werden: Als erster Schritt erfolgt im Rahmen eines Arztbesuches meist die Ermittlung verschiedener Leistungswerte, wie Blutdruck oder Blutwerte. Der Arzt kann dann anhand dieser Werte Problembereiche (z.B. Bluthochdruck oder Cholesterin) identifizieren und eine Diagnose erstellen. Oft wird auch eine Prognose des zukünftigen Gesundheitszustandes entwickelt, falls der Patient so weitermacht wie bisher. Um den Gesundheitszustand zu ändern, wird zusammen mit dem Patienten eine Vision eines gesünderen Lebens entwickelt, z.B. gesünderes Essen, mit dem Rauchen aufhören und mehr Sport.
Um die Vision auch tatsächlich zu erreichen, wird eine Strategie entwickelt, der Arzt bezeichnet das als Therapie: eine bestimmte Diät, Medikamente, Rauchverbot und ein Trainingsplan. Regelmäßige Kontrollbesuche mit eventuellen Therapieanpassungen schließen dann den Genesungsprozess ab (Quelle: Markus Venzin – Der Strategieprozess).

Das Beispiel mit dem Arztbesuch kann gut auf die Unternehmensebene übertragen werden: Zuerst werden die allgemeinen Daten des Unternehmens analysiert und zukünftige Entwicklungen prognostiziert. Die Ergebnisse werden zusammengetragen und strategische Ziele entwickelt. Darauf basierend sollten Umsetzungsschritte formuliert werden. Zur Kontrolle dienen Erfolgskriterien. Regelmäßig wird der Stand der Umsetzung dokumentiert und überprüft. Bei Bedarf wird die Strategie angepasst.

Warum ist Strategiearbeit im Rahmen der Betriebsratsarbeit so wichtig?

Effektive Betriebsratsarbeit lebt von den Zielsetzungen im Gremium. Die Ziele sollten dabei bewusst gewählt und regelmäßig überprüft werden. Fragen Sie sich beispielsweise, was Sie bis zum Ende der Wahlperiode erreichen wollen.
Dem Betriebsrat muss es dabei gelingen, alle Aufgaben – sowohl kurz-, mittel- als auch langfristige Vorhaben – ausgewogen zu bearbeiten. Die täglichen Arbeiten dürfen nicht vernachlässigt und Fristen müssen eingehalten werden. Andererseits darf sich das Gremium nicht nur allein auf das Alltagsgeschäft fokussieren. Wenn Sie strategisch vorgehen sind Sie auf einem guten Weg, alle Routineaufgaben zu meistern und gleichzeitig die gesetzten Ziele zu erreichen.

Was ist Ihre Aufgabe als Betriebsratsvorsitzender?

Als Betriebsratsvorsitzender können Sie dafür sorgen, dass zunächst der richtige Rahmen dafür geschaffen wird, damit sich das BR-Gremium seiner strategischen Ziele bewusst werden kann. Gerade zu Beginn einer Wahlperiode mit einem bunt gemischten Team braucht es unbedingt Zeit, sich über die Ziele des Gremiums bewusst zu werden und hier möglichst eine einheitliche Linie herzustellen. Eine sehr gute Möglichkeit stellt die Klausurtagung dar. Der große Vorteil dabei ist, dass so gut wie keine betrieblichen Anfragen und andere Störungen die Arbeit des Betriebsrats stören können. Auch das Kennenlernen der Gremiumsmitglieder fällt deutlich leichter fernab des Arbeitsalltags.

Wenn die Klausurtagung gut vorbereitet ist, verläuft diese meist sehr intensiv und erlebnisreich. Eine Dauer von zwei bis drei Tagen ist ideal. Wählen Sie einen Tagungsort, der ausreichend weit vom Betrieb entfernt ist. So fällt es den Beteiligten wahrscheinlich leichter, sich einmal ganz von häuslichen und betrieblichen Verpflichtungen zu lösen. Planen Sie den Ablauf so, dass auch immer wieder kleinere Arbeitsgruppen gebildet werden, damit auch die etwas stilleren Betriebsratsmitglieder mit Ihren Beiträgen zu Wort kommen können. Auch der Einsatz externen Moderatoren ist bei der Klausurtagung möglich.

Im Laufe der Wahlperiode sollten Sie als Betriebsratsvorsitzender immer wieder ausreichend Gelegenheiten schaffen, in denen das Gremium seine Ziele überprüfen und gegebenenfalls an aktuelle Geschehnisse anpassen kann.
Zudem sollten gerade Sie als BR-Vorsitzender verstärkt im Auge behalten, ob der Betriebsrat auf dem „richtigen Weg“ ist, um die strategischen Ziele auch zu erreichen. Sollten Sie feststellen, dass die Ziele nicht mehr im Bewusstsein der Gremiumsmitglieder sind, steuern Sie dagegen! Machen Sie Ihren Kollegen immer wieder bewusst, was das Gremium gemeinsam als strategische Ziele festgelegt hat.

Unser Seminartipp

Wie entwickelt der Betriebsrat eine Strategie?

Der Strategieprozess erfolgt in mehreren Schritten. Jeder dieser Schritte ist wichtig! Gehen Sie systematisch vor und nehmen Sie sich ausreichend Zeit für den Prozess.

Analyse und Bestandsaufnahme

Die Bestandsaufnahme sollte sowohl hinsichtlich des Betriebsratsgremiums und seiner Arbeit als auch hinsichtlich der Lage des Unternehmens erfolgen. Machen Sie sich zunächst bewusst, wo ihr Betriebsrat steht und in welcher Phase der Amtszeit Sie sich befinden. Im nächsten Schritt sollte eine gründliche Analyse des betrieblichen „Ist-Standes“ durchgeführt werden. Nutzen Sie dabei Ihre Informationsrechte und beziehen Sie den Wirtschaftsausschuss mit ein.

Leitfragen:

  • Was haben wir im vergangenen Jahr (oder in der vergangenen Wahlperiode) erreicht?
  • Welche Probleme und offenen Punkte gab es im vergangenen Jahr (oder in der vergangenen Wahlperiode)?
  • Wie können wir unsere Ausgangslage beschreiben?
  • Wie können wir die Ausgangslage unseres Unternehmens beschreiben?
  • Welche Herausforderungen gibt es im Unternehmen? 

Zukunftsperspektive

Diskutieren Sie als nächstes die zu erwartende Entwicklung in Ihrem Unternehmen und die dadurch gegebenenfalls resultierenden Probleme, Chancen und Herausforderungen.

Leitfragen:

  • Wie wird sich unsere Branche weiterentwickeln?
  • Wie wird sich unser Unternehmen weiterentwickeln?
  • Was bedeutet das für uns als Gremium?
  • Was bedeutet das für die Belegschaft?

Strategische Ziele festlegen und strategische Forderungen stellen

Nun geht es darum, ausgehend von der durchgeführten Analyse eigene Zielvorstellungen und damit ein eigenes Handlungskonzept zu entwickeln, das auch bestimmte Forderungen enthält.

Leitfragen:

  • Angesichts der zu erwartenden Entwicklungen: Für was stehen wir als Betriebsrat?
  • Welche Leitlinien sind uns bei unserer Arbeit wichtig?
  • Was wollen wir in dieser Wahlperiode (im nächsten Jahr) erreichen?

Umsetzungsschritte entwickeln

Wenn die Ziele feststehen, müssen noch konkrete Schritte der Umsetzung geplant werden. Seien Sie dabei realistisch, was die zur Verfügung stehende Zeit betrifft und legen Sie konkret fest, wer sich im Gremium um welchen Schritt kümmert und bis wann die einzelnen Schritte abgeschlossen sein sollten. Denken Sie auch daran, dass Sie sich externe Unterstützung holen können, sei es durch Schulungen (wenn das entsprechende Wissen fehlt), oder durch Sachverständige nach § 80 Abs. 3 BetrVG. Vergessen Sie nicht, die Belegschaft regelmäßig über die geplanten Vorhaben zu informieren.

Leitfragen:

  • Mit welchen Schritten wollen wir die Strategie umsetzen?
  • Wer macht was bis wann?
  • Wen oder was brauchen wir zur Unterstützung?
  • Wie wollen wir die Belegschaft informieren und einbinden?

Maßnahmenumsetzung und Zielerreichung überprüfen

Im Strategieprozess sollten Sie immer wieder überprüfen, ob ein Ziel erreicht wurde bzw., ob eine beschlossene Maßnahme durchgeführt wurde. Ziehen Sie regelmäßig Bilanz und halten Sie auch die Erreichung von Zwischenzielen fest.

Strategie laufend anpassen oder neue Strategie entwickeln

Der Strategieprozess ist nicht statisch zu verstehen, denn es werden immer wieder unvorhersehbare Ereignisse passieren, die vielleicht ein Umdenken erfordern. Behalten Sie das aktuelle Geschehen in der Gesamtwirtschaft, in Ihrer Branche und in Ihrem Betrieb im Auge und passen Sie die Strategie immer wieder an aktuelle Entwicklungen an.

 

Tipp: Feiern Sie Erfolge und beziehen Sie die Belegschaft mit ein

Wenn Ziele erreicht wurden, dann vergessen Sie nicht, den Erfolg entsprechend zu würdigen und zu feiern. So steigt die Motivation, weiter am Ball zu bleiben. Und beziehen Sie Ihre Kollegen mit ein: Machen Sie den Erfolg gegenüber der Belegschaft sichtbar.

Unser Seminartipp