Für Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht gibt es zwei verschiedene Verfahren. Für den einzelnen Arbeitnehmer und Tarifvertragsparteien ist das Urteilsverfahren nach § 2 ArbGG und für den Betriebsrat das Beschlussverfahren nach § 2a ArbGG der richtige Weg. Die wesentlichen Unterschiede, die Sie als Betriebsrat kennen sollten, werden im Folgenden erläutert.
a) Urteilsverfahren – Hier streiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Tarifvertragsparteien
Im Urteilsverfahren ist das Arbeitsgericht vor allem zuständig für folgende Fälle bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten:
- zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis und hiermit im Zusammenhang stehenden Ansprüchen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG) und
- über das Bestehen und Nichtbestehen von Arbeitsverhältnissen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG),
- zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten aus Tarifverträgen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG).
Örtliche Zuständigkeit
Im Urteilsverfahren ist immer das Arbeitsgericht örtlich zuständig, bei dem der Beklagte seinen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand zum Zeitpunkt der Klageerhebung hat (§ 46 Abs. 2 ArbGG) bzw. sich der Erfüllungsort der Arbeitsleistung befindet.
So geht’s los
Das Urteilsverfahren wird durch eine schriftliche oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Arbeitsgerichts erklärte Klage eingeleitet (§§ 46 ff. ArbGG). Bei der Aufsetzung der Klage sind sachkundige Beamte des Arbeitsgerichts behilflich.
Ganz wichtig im Kündigungsschutzprozess: Hier muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben, sonst gilt die Kündigung als wirksam, §§ 7, 4 S.1 KSchG.
Erster Termin
Auf die Klage hin wird durch das Gericht ein Termin zur mündlichen Verhandlung angesetzt. Die Klageschrift muss der beklagten Partei mindestens eine Woche vor dem Termin zugestellt sein. Dieser erste Termin ist die sogenannte Güteverhandlung vor dem Vorsitzenden der zuständigen Kammer. Die ehrenamtlichen Arbeitsrichter sind also noch nicht dabei. Der Vorsitzende erörtert mit der klagenden und der beklagten Partei das gesamte Streitverhältnis unter freier Würdigung aller Umstände mit dem Ziel der gütlichen Einigung. Hier wird z.B. im Kündigungsschutzprozess mit Arbeitnehmer und Arbeitgeber geklärt, ob wirklich das Ziel ist, weiter beschäftigt zu werden. In vielen Fällen wird das nicht der Fall sein und man verhandelt dann möglicherweise über eine Abfindung.
Weitere Verhandlungen
Verläuft die Güteverhandlung erfolglos, kann entweder eine weitere Güteverhandlung angesetzt werden oder es kann sich die weitere, sogenannte streitige Verhandlung unmittelbar anschließen. Im Normalfall allerdings wird ein gesonderter Termin zur streitigen Verhandlung bestimmt – unter der Auflage, innerhalb festgelegter Fristen weitere Stellungnahmen abzugeben.
Die streitige Verhandlung, einschließlich der Beweisaufnahme in Form der Vernehmung von benannten Zeugen und Sachverständigen, findet vor der mit dem Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richtern besetzten Kammer statt.
Was, wenn jemand nicht erscheint?
Erscheint eine Partei zur Güteverhandlung oder in der streitigen Verhandlung nicht, so ergeht auf Antrag der anderen Partei ein Versäumnisurteil. Hiergegen kann innerhalb einer Woche Einspruch beim Arbeitsgericht eingelegt werden.
Entscheidung durch Urteil
Über die Klage entscheidet das Arbeitsgericht in der Regel durch ein Urteil, und zwar im Anschluss an die letzte mündliche Verhandlung.
Was, wenn die unterlegene Seite mit dem Urteil nicht einverstanden ist?
Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte kann Berufung eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt, das Arbeitsgericht in seinem Urteil die Berufung ausdrücklich zugelassen hat (§§ 64 ff. ArbGG) oder eine Streitigkeit über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vorliegt. Die Berufung ist innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung des Urteils beim zuständigen Landesarbeitsgericht einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts überprüft das Landesarbeitsgericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Es hat den Rechtsstreit selbst zu entscheiden. Eine Zurückweisung an das Arbeitsgericht ist unzulässig. Für das Urteil gelten im Wesentlichen dieselben Regelungen wie beim Arbeitsgericht.
Was, wenn die unterlegene Seite immer noch nicht einverstanden ist?
Gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts kann Revision eingelegt werden, wenn diese entweder durch das Landesarbeitsgericht oder das Bundesarbeitsgericht zugelassen worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, also der Rechtsfortbildung oder der Rechtsvereinheitlichung dient. Es muss die Revision auch in solchen Fällen zulassen, wenn seine Entscheidung von einer Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht.
Hat das Landesarbeitsgericht die Revision nicht zugelassen, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingereicht werden. Die Revision ist innerhalb eines Monats beim Bundesarbeitsgericht einzulegen und innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Das Bundesarbeitsgericht überprüft das Urteil des Landesarbeitsgerichts nur auf Rechtsfehler (§§ 73, 77 ArbGG). An den vom Landesarbeitsgericht festgestellten tatsächlichen Sachverhalt ist das Gericht gebunden. Es kann abschließend entscheiden oder den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.
Neben der eigentlichen Revision gibt es auch die Sprungrevision. Die Sprungrevision kann gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts unter Umgehung des Landesarbeitsgerichts unmittelbar beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Voraussetzung ist, dass der Gegner schriftlich zustimmt und die Sprungrevision vom Arbeitsgericht zugelassen wird. Sie ist aber nur dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und bestimmte kollektivrechtliche Streitigkeiten betrifft.
b) Beschlussverfahren – Hier streiten Arbeitgeber und Betriebsrat
Im Beschlussverfahren sind die Arbeitsgerichte vor allem für Streitigkeiten hinsichtlich der Einhaltung und Durchsetzung des Betriebsverfassungsrechts zuständig. Hier entscheiden die Richter darüber, was im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes rechtens ist. Im Unterschied dazu werden Regelungsfragen, also Fragen, wie die gegensätzlichen Interessen ausgeglichen werden sollen, durch die Einigungsstelle entschieden.
Das Beschlussverfahren unterscheidet sich in wesentlichen Regelungen vom Urteilsverfahren (§§ 80 ff. ArbGG). Beide Verfahrensformen schließen sich gegenseitig aus. Die Wahl der richtigen Verfahrensart ist in jeder Phase des Gerichtsverfahrens von Amts wegen zu prüfen. Sofern erforderlich, verweisen die Arbeitsgerichte den Rechtsstreit gem. § 48 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG in die zutreffende Verfahrensart.
Beteiligte statt Parteien
Den Parteien im Urteilsverfahren entsprechen die Beteiligten im Beschlussverfahren. Beteiligter ist auf der einen Seite der Antragsteller und auf der anderen Seite der Antragsgegner. In einem Beschlussverfahren werden keine Kosten oder Auslagen erhoben. Das Beschlussverfahren wird auf Antrag eingeleitet, der beim zuständigen Arbeitsgericht schriftlich einzureichen oder bei der Geschäftsstelle mündlich zur Niederschrift einzubringen ist.
Amtsermittlungs- statt Beibringungsgrundsatz
Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen (Amtsermittlungsgrundsatz). Die Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Auch im Beschlussverfahren kann der Vorsitzende ein vorgeschaltetes Güteverfahren ansetzen, entsprechend dem Gütetermin im Urteilsverfahren.
Klassisches Beispiel für ein Beschlussverfahren ist der Streit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung oder über Kosten und Sachmittel für den Betriebsrat.
Beschluss statt Urteil
Das Verfahren endet mit einem Beschluss, der schriftlich abzufassen ist. Für die Verkündung des Beschlusses gelten dieselben Regeln wie für die Verkündung eines Urteils. Aus rechtskräftigen Beschlüssen oder gerichtlichen Vergleichen, durch die einem Beteiligten eine Verpflichtung auferlegt wird, findet die Zwangsvollstreckung statt. Auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.
Beschwerde und Rechtsbeschwerde statt Berufung und Revision
Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse kann innerhalb eines Monats beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt werden. Sie ist innerhalb eines Monats zu begründen. Sofern vom Landesarbeitsgericht zugelassen, kann beim Bundesarbeitsgericht Rechtsbeschwerde eingelegt werden.
Die Beschwerde wird wie im Urteilsverfahren bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder im Falle der Divergenz zugelassen (siehe oben, Ausführungen zum Urteilsverfahren – Hier streiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Tarifvertragsparteien). Auch die Sprungrechtsbeschwerde ist bei einem Beschlussverfahren zulässig.
Fazit
Als Betriebsrat sollten Sie die drei Instanzen und ihre Besetzung (Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und Bundesarbeitsgericht) kennen sowie die jeweiligen Rechtsmittel. Auch der Unterschied zwischen Urteilsverfahren, in dem für einzelne Arbeitnehmer entschieden wird, und Beschlussverfahren, in dem Sie als Betriebsrat Ihre Rechte durchsetzen, ist wichtig.