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Sonderkündigungsschutz: Vorsorglich Gleichstellungsantrag gleichzeitig mit Antrag auf Anerkennung stellen

Wer einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch stellt, sollte von Beginn an parallel vorsorglich auch einen Gleichstellungsantrag bei der Bundesagentur für Arbeit stellen. So kann man im Hinblick auf den Sonderkündigungsschutz auf Nummer sicher gehen, falls der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft wegen eines GdB unter 50 beim Versorgungsamt erfolglos bleiben sollte.

Bundesarbeitsgericht vom 31.07.2014 – 2 AZR 434/13

Stand:  18.8.2015
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Das ist passiert:

Die Arbeitnehmerin beantragte beim Versorgungsamt ihre Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. Kurz darauf unterrichtete sie davon ihre Arbeitgeberin. Im späteren Verlauf wurde der Arbeitnehmerin ordentlich verhaltensbedingt zum 31. Januar 2012 gekündigt. Mit Bescheid vom 17. Juli 2012 stellte das Versorgungsamt bei der Arbeitnehmerin eine Behinderung mit einem Grad von 30 fest. Am 26. Juli 2012 beantragte diese bei der Bundesagentur für Arbeit ihre Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Mit Bescheid vom 18. September 2012 sicherte die Bundesagentur die Gleichstellung für den Fall zu, dass im Zuge ihrer Vermittlungsbemühungen oder eigener Bemühungen der Arbeitnehmerin um einen Arbeitsplatz ein Arbeitgeber die Einstellung vom Vorliegen einer Schwerbehinderung abhängig machen sollte.

Die Arbeitnehmerin machte vor Gericht geltend, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil die Arbeitgeberin keine Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt habe.

Das sagt das Gericht:

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Kündigung unwirksam war. Die Unwirksamkeit der Kündigung beruhte allerdings allein auf ihrer Sozialwidrigkeit, weil die Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung nicht vorlagen. Die Kündigung war dagegen nicht deshalb unwirksam, weil die Zustimmung des Integrationsamtes fehlte. Denn es bedurfte keiner solchen Zustimmung.

Nach § 85 SGB IX i.V.m. § 68 Abs. 1 und 3, § 2 Abs. 3 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers, der schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts.

Im vorliegenden Fall war die Arbeitnehmerin nicht schwerbehindert, da ihr Grad der Behinderung lediglich 30 beträgt.

Zum Zeitpunkt der Kündigung war sie einem schwerbehinderten Menschen auch nicht gleichgestellt. Eine Gleichstellung ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 18. September 2012 ist ihr eine Gleichstellung lediglich für den Fall zugesichert worden, dass ein Arbeitgeber ihre Einstellung von einer solchen Gleichstellung abhängig mache. Selbst wenn ein solcher „Zusicherungsbescheid" kündigungsrechtlich wie eine Gleichstellung zu behandeln sein sollte, wirkte er frühestens auf den Tag der Antragstellung - den 26. Juli 2012 - zurück. Vor diesem Zeitpunkt kommt ein Sonderkündigungsschutz der Klägerin nicht in Betracht.

Die Gleichstellung eines behinderten Menschen mit schwerbehinderten Menschen erfolgt auf dessen Antrag durch eine Feststellung seitens der Bundesagentur für Arbeit. Die Gleichstellung wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Der gesetzlich bestehende Rechtsschutz des Behinderten wird durch die Gleichstellung erst begründet (im Unterschied zu schwerbehinderten Menschen, bei denen durch die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch der gesetzlich bestehende Rechtsschutz nur festgestellt wird). Die Bundesagentur für Arbeit darf die Gleichstellung rückwirkend nicht über den Tag des Eingangs des Antrags hinaus aussprechen. Einer – wie hier – erst nach Zugang der Kündigung beantragten Gleichstellung kommt demzufolge für die Wirksamkeit der Kündigung - selbst bei einem positiven Bescheid - keine Bedeutung zu.

Laut Gericht ist es unerheblich, ob die Arbeitnehmerin ihren Gleichstellungsantrag, wäre ihr Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch schneller beschieden worden, schon früher gestellt hätte.

Der Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch enthält - anders als die Arbeitnehmerin meinte - nicht zugleich einen Antrag auf Gleichstellung für den Fall, dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50, aber mindestens 30 festgestellt werden sollte. Die Entscheidung über die Gleichstellung fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit. Zur Erlangung des Sonderkündigungsschutzes können Arbeitnehmer beide Verfahren – Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch sowie Antrag auf Gleichstellung – von Beginn an parallel betreiben, insbesondere den Gleichstellungsantrag bei der Bundesanstalt vorsorglich für den Fall stellen, dass der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft wegen eines GdB unter 50 beim Versorgungsamt erfolglos bleiben sollte.

Auch wenn die Versorgungsämter gehalten sein sollten, auf die Möglichkeit einer vorsorglichen Antragstellung bei der Bundesanstalt hinzuweisen, folgte daraus selbst bei einer Verletzung der Hinweispflicht nicht, dass einer Gleichstellung Wirkung auf einen Zeitpunkt vor Eingang des Antrags bei der Bundesagentur für Arbeit zukommen könnte. Für die bloße Zusicherung einer erforderlich werdenden Gleichstellung gilt nichts anderes.

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