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Bereitschaftsdienst als Mehrarbeit ablehnbar?

Schwerbehinderte Beschäftigte sind auf ihr Verlangen hin von Mehrarbeit freizustellen. So schreibt es § 207 SGB IX (früher: § 124 SGB IX) vor. Als Mehrarbeit gilt dabei jede Arbeit, die über die normale gesetzliche Arbeitszeit nach § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG), also über werktäglich acht Stunden hinausgeht.
Geteilte Meinungen bestanden im aktuellen Fall darüber, ob auch Bereitschaftsdienst zu dieser werktäglichen Arbeitszeit gerechnet wird und damit als Mehrarbeit abgelehnt werden kann.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2006 - 9 AZR 176/06

Stand:  21.11.2006
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Das ist passiert:

Eine schwerbehinderte Frau arbeitete in einem Jugendhilfezentrum als Heimerziehungspflegerin. Kraft vertraglicher Vereinbarung waren auf ihr Arbeitsverhältnis die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (kurz: AVR) anzuwenden. Demnach sind die Mitarbeiter verpflichtet, Dienstleistungen in Form des Bereitschaftsdienstes zu erbringen und zwar außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit.
So wurde die Frau anhand von monatlich erstellten Dienstplänen sowohl zu normalen Dienstleistungen als auch zu als „Nachtbereitschaft" bezeichneten Bereitschaftsdiensten herangezogen. Damit war sie nicht einverstanden und wehrte sich.

Die Frau verlangte von ihrer Arbeitgeberin, werktäglich nicht mehr als acht Stunden, einschließlich der Bereitschaftsdienste, beschäftigt zu werden. Schließlich sei sie als Schwerbehinderte gemäß § 207 SGB IX (früher: § 124 SGB IX) von Mehrarbeit frei zu stellen. Dies gelte auch für Bereitschaftsdienst, soweit durch diesen die Acht-Stunden-Grenze überschritten werde. Denn in ihren Augen stelle Bereitschaftsdienst Arbeitszeit dar, auch wenn in den AVR etwas anderes stehe.

Das sagt das Gericht:

Die Sicht der Arbeitnehmerin teilte nun das Bundesarbeitsgericht, nachdem ihr Arbeits- und Landesarbeitsgericht eine Absage erteilt hatten.

Seit der Neufassung des Arbeitszeitgesetzes ab 1. Januar 2004 ist Bereitschaftsdienst auch Arbeitszeit im Sinne des Gesetzes. Mehrarbeit ist damit jede über acht Stunden pro Werktag hinhausgehende Arbeitszeit inklusive des Bereitschaftsdienstes. Die Regelungen in den AVR, welche die Frau verpflichten, über die Acht-Stunden-Grenze hinaus Bereitschaftsdienste zu verrichten, sind unwirksam.

Das bedeutet es für die Praxis:

Der Anspruch auf Befreiung von Mehrarbeit gilt also auch für Bereitschaftsdienst. Damit kann nicht nur der „normale Dienst", sondern auch der Bereitschaftsdienst jenseits der werktäglichen Acht-Stunden-Grenze als Mehrarbeit abgelehnt werden.

Zu beachten ist dabei allerdings immer, dass Mehrarbeit durch § 207 SGB IX (früher: § 124 SGB IX) nicht verboten wird. Vielmehr soll es schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmern selbst überlassen sein, ob sie von ihrem Anspruch auf Freistellung von Mehrarbeit Gebrauch machen oder nicht. Deshalb greift die Freistellung erst, wenn der Schwerbehinderte bzw. Gleichgestellte dies gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich verlangt. Das Verlangen hat dabei so rechtzeitig zu erfolgen, dass sich der Arbeitgeber darauf einstellen kann. Eine Begründung ist nicht erforderlich.

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