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Die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat

Wahlverfahren und Wahlvorstand – so funktioniert es in der Praxis

Veröffentlicht am 14.02.2022
Dominikus Zwink
  
 
Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat werden in allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl von der Belegschaft gewählt. Das Wahlverfahren zur Wahl der Arbeitnehmervertreter hat nicht nur den Ruf kompliziert zu sein, es ist auch kompliziert! Das zeigt sich schon daran, dass die Wahl, je nach betrieblicher Situation, auf unterschiedlichen Gesetzen beruht: Ausgehend von der Zahl der Beschäftigten gelten die Bestimmungen des Drittelbeteiligungsgesetzes oder – bei Überschreiten des Schwellenwertes von 2000 Arbeitnehmern – die des Mitbestimmungsgesetzes. Hinzu kommen die unterschiedlichen Wahlordnungen: allein zum Mitbestimmungsgesetz gibt es drei. Wird deren Geltungsbereich verkannt, kann dies eine Wahlanfechtung rechtfertigen.
 

Anwendung des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG) bei der Aufsichtsratswahl

Das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) ist als Folge seiner Entwicklung aus dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952 für juristische Laien noch einigermaßen verständlich. Es findet auf Kapitalgesellschaften in der Rechtsform z.B. der Aktiengesellschaft (AG) oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Anwendung, wenn diese in der Regel zwischen 501 bis 2000 Arbeitnehmer beschäftigen. Für die Ermittlung der Arbeitnehmerzahl können auch die Arbeitnehmer von Konzerntöchtern zu berücksichtigen sein. Für Wahlvorschläge der Arbeitnehmer sieht § 6 DrittelbG die Unterzeichnung von mindestens einem Zehntel der Wahlberechtigten vor (10 %).

Wichtig!

Daraus können sich allerlei Fragen ergeben:
Welche Unterschriften dürfen bei der notwendigen Quote von 10 % Stützunterschriften berücksichtigt werden? Ist es zulässig, wenn auf einem Wahlvorschlag ein leitender Angestellter kandidiert? Wo findet sich eine Regelung darüber, ob bei Vorliegen mehrerer gültiger Wahlvorschläge Listenwahl oder Mehrheitswahl stattfindet? Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben besteht das Risiko einer Wahlanfechtung und eines dadurch ausgelösten gerichtlichen Verfahrens nebst Rechtsanwaltskosten und anschließender Wahlwiederholung. Besonders problematisch ist es, wenn ein Gericht die Nichtigkeit der Wahl feststellt und der Aufsichtsrat bereits Beschlüsse gefasst hat.

Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) bei der Aufsichtsratswahl

Bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz muss der Wahlvorstand die Arbeitnehmer darüber informieren, dass die Wahl entweder unmittelbar durch sie oder aber mittels Delegierter durchgeführt werden kann. In einer entsprechenden Bekanntmachung muss er aufzeigen, wie ein Wechsel des gesetzlich vorgeschriebenen Wahlverfahrens abläuft. Es gilt, Fristen zu berechnen und zu setzen und es ist wichtig zu wissen, ob diese Fristen verlängert werden dürfen. Gleichzeitig mit dem Aushang muss der Wahlvorstand den Arbeitnehmern erklären, bis wann sie Wahlvorschläge einreichen können und welchen Mindestinhalt diese haben müssen.

Auch hier sind viele offene Punkte zu klären:
Was hat der Wahlvorstand zu veranlassen, wenn ein Wahlvorschlag weniger Bewerber aufweist als Aufsichtsratsmitglieder zu wählen sind? Was passiert, wenn ein Wahlvorschlag der leitenden Angestellten für den einzigen den leitenden Angestellten zustehenden Sitz nur einen einzigen Bewerber enthält: Gilt dieser Bewerber als gewählt oder ist der Wahlvorschlag als ungültig zu behandeln? Soll die Wahl durch Delegierte stattfinden, wird die Sache noch komplizierter: In diesem Fall muss zunächst die Zahl der jedem Betrieb zustehenden Delegierten und die Zahl der auf jeden Delegierten entfallenden Stimmen berechnet werden. Anschließend ist die Wahl der Delegierten durchzuführen und schließlich muss auch die Delegiertenversammlung organisiert werden.

Die Verfahren zur Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat

Die Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat werden durch ein nicht gerade leicht nachvollziehbares Wahlverfahren gewählt. In jedem Fall kommt der Auftakt zur Wahl von der Unternehmensleitung. Das Unternehmen macht bekannt, dass Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu wählen sind. Zuständig für die Durchführung der Wahl ist der Betriebswahlvorstand, der unverzüglich zu bilden ist. Egal ob Drittelbeteiligung oder paritätische Mitbestimmung, der Betriebsrat spielt – soweit vorhanden – bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat eine erhebliche Rolle, denn unter seiner Leitung wird der Wahlvorstand eingesetzt.

a)    Die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz

Bei der Wahl nach dem Drittelbeteiligungsgesetz richtet sich das Wahlverfahren nach der Wahlordnung zum Drittelbeteiligungsgesetz (WODrittelbG). Die Zahl der Mitglieder im Aufsichtsrat richtet sich nach dem Grundkapital des Unternehmens.

b)    Die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz

Bei der Wahl nach Mitbestimmungsgesetz gibt es eine erste, zweite und dritte Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz (1. WOMitbestG, 2. WOMitbestG, 3. WOMitbestG). Die Erste Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz kommt zum Einsatz, wenn das „wählende“ Unternehmen nur aus einem Betrieb besteht. Wahlordnung Nummer 2 greift ein, wenn das besagte Unternehmen aus mehreren Betrieben besteht. Und wenn an der Wahl gar Arbeitnehmer anderer Unternehmen beteiligt sind, dann kommt die 3. WOMitbestG zum Zug.

Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder

Eine gesetzlich geregelte Amtszeit für den Aufsichtsrat als gesamtes Gremium gibt es im Unterschied zum Betriebsrat nicht. Nach § 5 Abs. 1 DrittelbG werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer für die Zeit gewählt, die im Gesetz oder in der Satzung für die von der Hauptversammlung zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder (Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre) bestimmt ist. Unabhängig davon, ob die Wahl nach dem DrittelbG oder nach dem MitbestG durchzuführen ist, üben die Arbeitnehmervertreter und die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner ihr Amt grundsätzlich zeitgleich und gleich lang aus. Für die Dauer der Amtszeit ist immer § 102 AktG maßgeblich. Die Vorschrift gilt u.a. kraft Verweisung in § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG auch für die GmbH. Im MitbestG verweist § 6 Abs. 2 auf die Anwendung von § 102 AktG.

Die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder werden für höchstens vier Jahre gewählt. Alle Aufsichtsratsmitglieder haben jedoch praktisch eine Amtszeit von höchstens fünf Jahren – jeweils die Zeiten nach der Wahl im Jahr vor den vier Amtsjahren von 1.1. bis 31.12. und bis zur nächsten Wahl im Jahr danach – vor sich .

Die Satzung einer AG oder der Gesellschaftervertrag einer GmbH können eine kürzere als die gesetzliche Amtszeit für die Aufsichtsratsmitglieder, zum Beispiel für Nachfolger vorzeitig ausgeschiedener Mitglieder für den Rest der Amtszeit, festlegen. 

Wichtig!

Abberufung
Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat können gem. § 23 MitbestG durch ein besonders gestaltetes, an hohe Antragsquoten und eine Dreiviertelmehrheit des jeweils zuständigen Wahlkörpers gebundenes Abberufungsverfahren während der Amtszeit aus dem Amt abberufen werden.

Gibt es eigentlich Ersatzmitglieder für die Mitglieder des Aufsichtsrats?

Wie funktioniert das mit den Ersatzmitgliedern beim Aufsichtsrat? Diese Frage stellen sich Unternehmen meist erst dann, wenn durch unvorhersehbare Umstände – wie der Kündigung eines Mitarbeiters, der als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat gewählt wurde – der Aufsichtsrat plötzlich unterbesetzt ist. 
Ersatzmitglieder sind im Aufsichtsrat keine Selbstverständlichkeit. Eine Verpflichtung, zusammen mit den Aufsichtsratsmitgliedern gleichermaßen auch Ersatzmitglieder zu wählen, kennt das Gesetz nicht. Für diesen Weg kann sich das jeweilige Wahlorgan nur nach eigenem Ermessen frei entscheiden, was bei größeren Aktiengesellschaften freilich oft der Fall ist.
Ein Ersatzmitglied kann immer nur zusammen mit einem Aufsichtsratsmitglied gewählt werden. Die Kollegen können sich bei der Wahl also nicht FÜR das Aufsichtsratsmitglied und GEGEN das Ersatzmitglied entscheiden, sondern es können nur beide gleichzeitig gewählt werden. Ein Ersatzmitglied darf nicht auf mehreren konkurrierenden Wahlvorschlägen zugleich als Ersatzmitglied kandidieren. Kompliziert wird es bei der Frage, ob ein Ersatzmitglied auf einem Wahlvorschlag für mehrere Aufsichtsratsmitglieder als Ersatzmitglied kandidieren kann. Hierzu nur so viel: Werden mehrere konkurrierende Wahlvorschläge eingereicht (Listenwahl), ist das kein Problem. Bei einer Personenwahl (nur eine Vorschlagsliste) ist die Antwort auf diese Frage strittig.
Die Kollegen müssen sich entscheiden: Wollen sie sich als Bewerber für ein Aufsichtsratsmandat aufstellen lassen oder als Ersatzmitglied? Beides geht nicht. 

Wichtig!

Ersatzmitglieder springen nicht bei nur vorübergehender Verhinderung des Aufsichtsratsmitglieds ein – es gibt keine Stellvertretung! Das Ersatzmitglied rutscht nur in den Aufsichtsrat nach, wenn das Aufsichtsratsmitglied auf Dauer aus dem Aufsichtsrat ausscheidet.

Was passiert im Ernstfall, wenn kein Ersatzmitglied bestellt wurde? Tja, dann gibt es beim endgültigen Ausscheiden eines Arbeitnehmervertreters aus dem Aufsichtsrat nur noch zwei Varianten: Entweder eine aufwendige Nachwahl oder der Weg der gerichtlichen Ersatzbestellung.

Individueller Schulungsanspruch

Schulungskosten sind als Wahlkosten nach § 20 Absatz 3 MitbestG grundsätzlich vom Unternehmen zu erstatten, soweit sie erforderlich sind. In Anbetracht des im Vergleich zur BR-Wahl deutlich komplizierteren Wahlverfahrens und des hohen Anfechtungsrisikos bei der Aufsichtsratswahl kann die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Erforderlichkeit im Rahmen von §§ 20, 40 BetrVG nur eingeschränkt herangezogen werden (Habersack/Henssler, Kommentar zum Mitbestimmungsrecht zu § 20 MitbestG, Rn 41). Diese Begründung spricht aber zunächst für einen Schulungsanspruch wegen der Komplexität und zur Erlangung von Rechtssicherheit.