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Die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat

Wahlverfahren und Wahlvorstand – so funktioniert es in der Praxis

Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat werden in allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl von der Belegschaft gewählt. Das Wahlverfahren zur Wahl der Arbeitnehmervertreter hat nicht nur den Ruf kompliziert zu sein, es ist auch kompliziert! Das zeigt sich schon daran, dass die Wahl je nach betrieblicher Situation auf unterschiedlichen Gesetzen beruht: Ausgehend von der Zahl der Beschäftigten gelten die Bestimmungen des Drittelbeteiligungsgesetzes oder – wenn der Schwellenwert von 2000 Arbeitnehmern überschritten wird – die des Mitbestimmungsgesetzes. Hinzu kommen die unterschiedlichen Wahlordnungen: Allein zum Mitbestimmungsgesetz gibt es drei. Wird deren Anwendungsbereich missverstanden, kann dies eine Wahlanfechtung rechtfertigen.

Dominikus Zwink | ifb

Stand:  10.1.2024
Lesezeit:  04:00 min

Anwendung des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG) bei der Aufsichtsratswahl 

Das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG), das aus dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952 hervorging, ist für juristische Laien noch einigermaßen verständlich. Es gilt für Kapitalgesellschaften in der Rechtsform z. B. der Aktiengesellschaft (AG) oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), wenn diese in der Regel zwischen 501 bis 2000 Arbeitnehmer beschäftigen. Für die Ermittlung der Arbeitnehmerzahl können auch die Arbeitnehmer von Konzerntöchtern zu berücksichtigen sein. Nach § 6 DrittelbG müssen Wahlvorschläge der Arbeitnehmer von mindestens einem Zehntel der Wahlberechtigten unterschrieben sein (10 Prozent). 

Wichtig! 

Daraus können sich allerlei Fragen ergeben: Welche Unterschriften dürfen bei der notwendigen Quote von 10 Prozent Stützunterschriften berücksichtigt werden? Ist es zulässig, wenn auf einem Wahlvorschlag ein leitender Angestellter kandidiert? Wo findet sich eine Regelung darüber, ob eine Listenwahl oder Mehrheitswahl stattfindet, wenn mehrere gültige Wahlvorschläge vorliegen? Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben besteht das Risiko einer Wahlanfechtung und eines dadurch ausgelösten gerichtlichen Verfahrens nebst Rechtsanwaltskosten und anschließender Wahlwiederholung. Besonders problematisch ist es, wenn ein Gericht die Nichtigkeit der Wahl feststellt und der Aufsichtsrat bereits Beschlüsse gefasst hat. 

Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) bei der Aufsichtsratswahl 

Bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter nach dem Mitbestimmungsgesetz muss der Wahlvorstand die Arbeitnehmer darüber informieren, dass die Wahl entweder unmittelbar durch sie oder aber mittels Delegierter durchgeführt werden kann. In einer entsprechenden Bekanntmachung muss er aufzeigen, wiedas gesetzlich vorgeschriebene Wahlverfahren abläuft. Es gilt, Fristen zu berechnen und zu setzen und es ist wichtig zu wissen, ob diese Fristen verlängert werden dürfen. Gleichzeitig mit dem Aushang muss der Wahlvorstand den Arbeitnehmern erklären, bis wann sie Wahlvorschläge einreichen können und welchen Mindestinhalt diese haben müssen. 

Auch hier sind viele offene Punkte zu klären: 
Was muss der Wahlvorstand veranlassen, wenn ein Wahlvorschlag weniger Bewerber aufweist als Aufsichtsratsmitglieder zu wählen sind? Was passiert, wenn ein Wahlvorschlag der leitenden Angestellten für den einzigen diesen zustehenden Sitz nur einen einzigen Bewerber enthält: Gilt dieser Bewerber als gewählt oder muss der Wahlvorschlag als ungültig behandelt werden? Soll die Wahl durch Delegierte stattfinden, wird die Sache noch komplizierter: In diesem Fall muss zunächst die Zahl der jedem Betrieb zustehenden Delegierten und die Zahl der auf jeden Delegierten entfallenden Stimmen berechnet werden. Anschließend muss die Wahl der Delegierten durchgeführt und schließlich muss auch die Delegiertenversammlung organisiert werden. 

Die Verfahren zur Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat 

Die Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat werden durch ein nicht gerade leicht nachvollziehbares Wahlverfahren gewählt. In jedem Fall gibt die Unternehmensleitung den Auftakt zur Wahl. Das Unternehmen macht bekannt, dass Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu wählen sind. Zuständig für die Durchführung der Wahl ist der Betriebswahlvorstand, der unverzüglich gebildet werden muss. Egal ob es sich um eine Drittelbeteiligung oder paritätische Mitbestimmung handelt, der Betriebsrat spielt – soweit vorhanden – bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat eine erhebliche Rolle. Denn unter seiner Leitung wird der Wahlvorstand eingesetzt.

Die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz 

Bei der Wahl nach dem DrittelbG basiert das Wahlverfahren auf der Wahlordnung zum Drittelbeteiligungsgesetz (WODrittelbG). Die Zahl der Mitglieder im Aufsichtsrat richtet sich nach dem Grundkapital des Unternehmens. 

Mitbestimmung in Unternehmen nach dem Drittelbeteiligungsgesetz | © ifb GmbH & Co.KG

Die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz 

Bei der Wahl nach dem Mitbestimmungsgesetz gibt es eine erste, zweite und dritte Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz (1. WOMitbestG, 2. WOMitbestG, 3. WOMitbestG). Die 1. WOMitbestG kommt zum Einsatz, wenn das „wählende“ Unternehmen nur aus einem Betrieb besteht. Wahlordnung Nummer 2 greift ein, wenn das besagte Unternehmen aus mehreren Betrieben besteht. Und wenn an der Wahl gar Arbeitnehmer anderer Unternehmen beteiligt sind, dann kommt die 3. WOMitbestG zum Zug. 

Mitbestimmung in Unternehmen nach dem Mitbestimmungsgesetz | © ifb GmbH & Co.KG

Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder 

Eine gesetzlich geregelte Amtszeit für den Aufsichtsrat als gesamtes Gremium gibt es im Unterschied zum Betriebsrat nicht. Nach § 5 Abs. 1 DrittelbG werden die Arbeitnehmervertreter für die Zeit gewählt, die im Gesetz oder in der Satzung für die von der Hauptversammlung zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder (Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre) bestimmt ist. Unabhängig davon, ob die Wahl nach dem DrittelbG oder nach dem MitbestG durchgeführt werden muss, üben die Arbeitnehmervertreter und die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner ihr Amt grundsätzlich zeitgleich und gleich lang aus. Für die Dauer der Amtszeit ist immer § 102 AktG maßgeblich. Die Vorschrift gilt u. a. kraft Verweisung in § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG auch für die GmbH. Im MitbestG verweist § 6 Abs. 2 auf die Anwendung von § 102 AktG. 

Die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder werden für höchstens vier Jahre gewählt. Alle Aufsichtsratsmitglieder haben jedoch praktisch eine Amtszeit von höchstens fünf Jahren vor sich – jeweils die Zeiten nach der Wahl im Jahr vor den vier Amtsjahren von 01.01. bis 31.12. und bis zur nächsten Wahl im Jahr danach. 

Die Satzung einer AG oder der Gesellschaftervertrag einer GmbH können auch eine kürzere Amtszeit als die gesetzliche für die Aufsichtsratsmitglieder festlegen – zum Beispiel für Nachfolger vorzeitig ausgeschiedener Mitglieder.

Wichtig! 

Abberufung: Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat können gem. § 23 MitbestG durch ein Abberufungsverfahren aus dem Amt abberufen werden. Dieses Verfahren ist jedoch an hohe Antragsquoten und eine Dreiviertelmehrheit des jeweils zuständigen Wahlkörpers gebunden. 

Gibt es Ersatzmitglieder für die Mitglieder des Aufsichtsrats? 

Wie funktioniert das mit den Ersatzmitgliedern beim Aufsichtsrat? Diese Frage stellen sich Unternehmen meist erst dann, wenn durch unvorhersehbare Umstände – wie der Kündigung eines Mitarbeiters, der als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat gewählt wurde – der Aufsichtsrat plötzlich unterbesetzt ist.  

Ersatzmitglieder sind im Aufsichtsrat keine Selbstverständlichkeit. Eine Verpflichtung, zusammen mit den Aufsichtsratsmitgliedern gleichermaßen auch Ersatzmitglieder zu wählen, kennt das Gesetz nicht. Für diesen Weg kann sich das jeweilige Wahlorgan nur nach eigenem Ermessen frei entscheiden, was bei größeren Aktiengesellschaften freilich oft der Fall ist. 

Ein Ersatzmitglied kann immer nur zusammen mit einem Aufsichtsratsmitglied gewählt werden. Die Kollegen können sich bei der Wahl also nicht FÜR das Aufsichtsratsmitglied und GEGEN das Ersatzmitglied entscheiden, sondern es können nur beide gleichzeitig gewählt werden.

Ein Ersatzmitglied darf nicht auf mehreren konkurrierenden Wahlvorschlägen zugleich als Ersatzmitglied kandidieren. Kompliziert wird es bei der Frage, ob ein Ersatzmitglied auf einem Wahlvorschlag für mehrere Aufsichtsratsmitglieder als Ersatzmitglied kandidieren kann. Hierzu nur so viel: Werden mehrere konkurrierende Wahlvorschläge eingereicht (Listenwahl), ist das kein Problem. Bei einer Personenwahl (nur eine Vorschlagsliste) ist die Antwort auf diese Frage strittig. Die Kollegen müssen sich entscheiden: Wollen sie sich als Bewerber für ein Aufsichtsratsmandat aufstellen lassen oder als Ersatzmitglied? Beides geht nicht.

Wichtig! 

Ersatzmitglieder springen nicht bei einer nur vorübergehenden Verhinderung des Aufsichtsratsmitglieds ein – es gibt keine Stellvertretung! Das Ersatzmitglied rutscht nur in den Aufsichtsrat nach, wenn das Aufsichtsratsmitglied auf Dauer aus dem Aufsichtsrat ausscheidet. 

Was passiert im Ernstfall, wenn kein Ersatzmitglied bestellt wurde? Tja, dann gibt es beim endgültigen Ausscheiden eines Arbeitnehmervertreters aus dem Aufsichtsrat nur noch zwei Varianten: Entweder eine aufwendige Nachwahl oder der Weg der gerichtlichen Ersatzbestellung.

Individueller Schulungsanspruch 

Schulungskosten müssen als Wahlkosten nach § 20 Absatz 3 MitbestG grundsätzlich vom Unternehmen erstattet werden, soweit sie erforderlich sind. In Anbetracht des im Vergleich zur Betriebsratswahl deutlich komplizierteren Wahlverfahrens und des hohen Anfechtungsrisikos bei der Aufsichtsratswahl kann die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Erforderlichkeit im Rahmen von §§ 20, 40 BetrVG nur eingeschränkt herangezogen werden (Habersack/Henssler, Kommentar zum Mitbestimmungsrecht zu § 20 MitbestG, Rn 41).

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